Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.
und schließt sie ab. »Niemand soll uns stören!« Was allerdings nicht ganz wörtlich zu nehmen ist. Zwei Logisgäste, das Ehepaar Gray, dürfen auch an der Festlichkeit teilnehmen. Mr. Gray ist ein invalider Soldat, der eine kleine Rente bekommt und mit seiner Frau einige Tage in Edinburgh verbringt.
Zur Feier des Tages serviert Hare den Whisky nicht in Holzbechern, sondern in Gläsern. Er schenkt jedem reichlich ein.
Burke hebt das Glas und bringt einen Trinkspruch auf die fleißige Landsmännin Mrs. Mary Campbell aus. Mary hebt ihr Glas und dankt gerührt.
Brot, Huhn, Whisky.
Whisky, Räucherfisch, Brot.
Und schließlich nur noch Whisky. Und gute Laune. Burke steigt auf den Tisch und beginnt zu singen. Und weil er Ire ist und Mary Irin, kennt auch die alte Frau die Lieder und Balladen und Kneipensongs, die Burke jetzt mit seiner rauchigen Stimme vorträgt. Und stimmt selig in seine Lieder mit ein: von der Schenke zum Vollmond, wo der Mond nur eine trübe Laterne ist, und von der Hure Joan, in die sich ein Graf verliebte und aus Eifersucht ihretwegen zum Mörder wurde. Und vom Kind, das zwei Köpfe hatte, und der eine konnte nur Irisch sprechen und der andere nur Englisch, und das Kind wurde aus England verjagt und aus Irland ebenso.
»Und nun, wo wir uns satt gegessen und müde gesungen haben, wollen wir uns wieder etwas munter machen!« ruft Burke ausgelassen und fordert Mary zum Tanz. Kichernd und whiskyumnebelt erhebt sich die Alte und walzt steifbeinig mit Burke durch den Raum, bis sie erschöpft auf den Stuhl niedersinkt. Hare beeilt sich, ihr Glas nachzufüllen.
Die Grays sind müde. Sie bedanken sich für die Einladung, erheben sich und gehen in ihr Zimmer. Hare wünscht ihnen gute Nacht: »Hoffentlich könnt ihr gut schlafen, hier wird es noch eine Weile etwas lärmig zugehen!«
Lärmig allerdings nicht wegen der übermütigen Stimmung. Burke und Hare haben nicht vor, noch länger mit der betrunkenen Irin zu feiern. Sie haben Ausgaben gehabt für Fleisch und Fisch und Whisky, nun müssen die Jungunternehmer daran denken, ihr Passivsaldo wieder auszugleichen.
»Noch einen Schluck zum Abschluß, Mary?« fragt Hare.
Mary schüttelt den Kopf. Ihr ist übel. Sie spürt Brechreiz. Hare, die Whiskyflasche in der Hand, tritt zu ihr. »Du willst mich doch nicht beleidigen, Mary.« Er hält ihr die Flasche an den Mund. Mary atmet schwer und preßt die Lippen zusammen. Hare stößt ihr mit dem Flaschenhals den Mund auf, schüttet Whisky hinein. Mary schluckt krampfhaft, um nicht zu ersticken, hustet, schlägt auf Hares Hand.
Hare nickt Burke zu. Burke springt vom Stuhl und baut sich drohend vor Hare auf: »Laß meine Mary in Ruhe!«
Hare grinst: »Sie will noch mehr, was, Mary, du hast noch nicht genug?«
Burke täuscht vor, Hare die Flasche entreißen zu wollen.
Hare schleudert Burke an die Theke.
Burke stürmt mit gesenktem Kopf und erhobenen Fäusten gegen Hare an.
Mary sieht erschrocken dem vermeintlichen Kampf zu.
So darf der friedliche Abend nicht enden! Sie tritt schwankend zwischen die beiden Kampfhähne. Burkes Faustschlag trifft nicht Hare. Er trifft wohlgezielt Marys Kopf. Sie stürzt auf den Steinboden, windet sich stöhnend.
Hare befiehlt Helen und seiner Frau: »Ihr verschwindet jetzt!«
Die beiden verlassen die Gaststube. Hare und Burke schleppen Mary in die Kammer hinter dem Tresen und legen sie aufs Bett. Hare hält Arme und Beine fest, Burke erstickt sie. Nachdem sie sich überzeugt haben, daß Mary tot ist, legen sie die Leiche in eine Ecke. Dabei entdeckt Hare Würgemale am Hals der Toten. »Warum hast du so unsauber gearbeitet?« herrscht er Burke an.
»Habe eben auch mal die Kehle zugedrückt, damit es schneller ging«, erklärt Burke.
»Das mindert mit Sicherheit den Preis«, nörgelt Hare. Sie bedecken die Leiche mit Stroh.
Bald darauf kehren die Frauen zurück. »Alles in Ordnung?« fragt Mrs. Hare.
»Nichts ist in Ordnung«, knurrt Hare. »Burke war unvorsichtig. Wir werden Absatzschwierigkeiten haben.« Die gute Laune ist verflogen, schweigend machen die vier Ordnung in der Gaststube und gehen dann schlafen.
Am nächsten Morgen erscheinen die Grays zum Frühstück. In der Gaststube erinnert nichts mehr an die Feier gestern nacht. Mrs. Hare hat schon den Tee bereitet. Während sie das Frühstück bringt, fragt Mrs. Gray: »Wie geht es der kleinen alten Frau?«
»Wie soll es ihr gehen«, antwortet Mrs. Hare mürrisch, »warum fragen Sie?«
»Sie schien ziemlich
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