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Der zweite Mord

Der zweite Mord

Titel: Der zweite Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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zu fahren, war leicht. Obwohl es im Park und unten am Bach dunkel war. Dann schob ich das Rad unter die Brücke und zog mir die Schwesterntracht aus.«
    »Hatten Sie andere Kleider drunter?«
    Irene riss die Augen gespannt auf. Sie übertrieb.
    »Ja. Strumpfhosen und einen schwarzen Wollpullover. Obwohl es auf dem Speicher kalt war, brach mir der Schweiß aus, als ich … mit Linda beschäftigt war.«
    Einen Augenblick lang wurde es still.
    »Hatten Sie Ihren Wagen hinter dem Tannenwäldchen geparkt?«, fragte Irene.
    »Ja. Von der Brücke zum Auto waren es nur ein paar Meter. Niemand sah mich.«
    »Dass Sie nicht erfroren sind. Es waren schließlich fünfzehn Grad minus.«
    »Ich hatte eine Jacke im Kofferraum.«
    Irene war sich klar darüber, dass Carina jetzt den Fehler begangen hatte, Mariannes Taschenlampe in den Kofferraum zu werfen. Sie hatte vermutlich doch ziemlich unter Druck gestanden. Irene beschloss, die Taschenlampe noch nicht zu erwähnen. Carina war vermutlich nicht daran interessiert, über ihre Fehler zu sprechen.
    »Sie waren wirklich unglaublich geschickt, alle Spuren zu verwischen. Dass Sie eine Gefahr in Siv Persson sahen, verstehe ich. Sie hätte Sie schließlich erkannt haben können. Aber warum stellte Anna-Karin Arvidsson ebenfalls eine Bedrohung dar?«
    Carina sah nicht aus, als wollte sie antworten. Irene verstand, warum. Der Brandanschlag auf Anna-Karin war ein Fiasko gewesen. Das Opfer lebte noch.
    Und über Fiaskos wollte Carina nicht sprechen. Irene war erstaunt, dass sie jetzt trotzdem etwas sagte:
    »Ich wusste, dass Anna-Karin und Linda eng befreundet gewesen waren. Linda hatte zu Sverker gesagt, dass sie nicht einmal ihrer besten Freundin von ihrer Beziehung erzählt hätte. Da fragte Sverker, wer ihre beste Freundin sei. Darauf antwortete Linda: ›Anna-Karin.‹«
    »Das hörten Sie also, als sie Linda und Sverker in der Bereitschaftswohnung belauschten?«
    »Ja. Ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass Linda die Wahrheit gesagt hatte. Sie hatte Anna-Karin vielleicht doch etwas erzählt.«
    Carina war unheimlich intelligent und intuitiv. Linda hatte ihrer Freundin wirklich alles erzählt, aber erst eine Woche später.
    »Ich habe mir überlegt, wie Sie überhaupt noch etwas sehen konnten, nachdem Sie den Strom lahm gelegt hatten«, sagte Irene.
    Carina sah erstaunt aus, als sie erwiderte:
    »Aber das müssen Sie doch begreifen? Sie haben doch die Taschenlampe gefunden. Ich erinnerte mich plötzlich an diese Taschenlampe … als Sie runter in die Garage gingen.«
    »Das war also die Taschenlampe, die Marianne in ihrer Kitteltasche hatte?«
    »Ja.«
    »Wir fanden auch einen Taschenkalender in ihrer Kitteltasche. Haben Sie den gesehen?«
    »Ja. Aber der interessierte mich nicht.«
    Marianne hatte offenbar Lindas Taschenkalender in der Kitteltasche gehabt, als sie ermordet wurde. Das konnte nur eins bedeuten: Er musste Linda aus ihrem Rucksack gefallen sein, als sie diesen die Treppe hinunterschleuderte. Carina hatte ihn übersehen, als sie dem Rucksack hinterhergelaufen war. Aber Marianne hatte ihn gefunden und gewusst, dass es Lindas war. Deswegen hatte sie auch Lindas Namen gerufen, als sie die Treppe hinaufgegangen war.
    »Ich verstehe, dass Sie uns auf eine falsche Fährte locken und außerdem die Schwesterntracht beseitigen wollten, als sie den Geräteschuppen angezündet haben. Und um alle Spuren von Gunnela Hägg zu beseitigen.«
    Carina sah Irene stirnrunzelnd an.
    »Gunnela Hägg. Hieß sie so?«
    »Ja.«
    Carina antwortete nicht. Sie starrte mit einem kalten, höhnischen Lächeln auf den Lippen gegen die Wand. Sie hatte sich wieder in sich selbst zurückgezogen und schien Irene nicht länger wahrzunehmen.
    Irene nickte Fredrik zu. Dieser stand von seinem Stuhl neben der Tür auf und rollte den Rollstuhl auf den Korridor.
    Dort stellte er das Tonband ab, das hinter Irenes Rücken verborgen gewesen war. Sie würden es nie bei Gericht verwenden können, aber es konnte der Staatsanwältin unschätzbare Informationen liefern, wie sie bei den Ermittlungen weiter vorgehen und die Anklage gestalten sollte.
     
    »Geht jemand mit ein Bier trinken?«
    Kurt Höök streckte seinen rotblonden Schopf durch die Tür von Irenes und Tommys Zimmer.
    »Vielleicht nachher. Wir sind noch nicht ganz mit dem Abschlussbericht über die Löwander-Morde fertig«, sagte Tommy.
    Kurt nickte und lächelte Irene an.
    »Ihr wisst, wo ihr mich finden könnt.«
    Er verschwand wieder auf dem Korridor.

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