Der Zweite Tod
Möglichkeiten ab, doch das hatte wenig Aussicht. Sie kannte Maris Gewohnheiten ja nicht. Vielleicht hätte er Mari einen Hinweis gegeben, wenn es so weit war.
67
Henning und Kjell entschieden sich, die Wohnung von Jon Ola Sundman jetzt zu stürmen. Sie lag im vierten Stock des Gebäudes. Die Wohnungs tü ren tru gen keine Na mens schilder. Sie klingelten an all en vier Wohnungen der Etage und hatten Glück. Drei Nachbarn öffneten. Für Sundmans Tür war Kjell nicht robust genug, und auch Henning gab auf, nachdem er sich zweimal da ge gen ge wor fen hatte.
»Seit der Adventskalender in Kraft gesresen ist, werfe ich mich mit schöner Regel mä ßig keit gegen Tü ren«, sin nierte Kjell mit pochender Schulter.
Henning nickte. »Das lässt einen am freien Willen zweifeln.«
Ein Nachbar trat in Bademantel und Lederpantoffeln auf den Gang, um die Rat losig keit der beiden Polizis ten mit zu er le ben. Er kehrte in seine Wohnung zurück und erschien sogleich wieder mit ei nem Me tall rohr und ei nem riesi gen Hammer in den Händen. Das Ende des Hammers war in seinen Ausmaßen einem Ziegelstein nach empfunden. Er wies die beiden Poli zis ten an, das Rohr gegen das Schloss zu halten. Bevor er ausholte, strich er sich noch einmal durch seine ölig schimmernde Fönwelle. Dann schwang er den Hammer ansatzlos mit einer halben Hüftdrehung gegen das andere Ende des Rohrs. Sogar Henning zuckte zusammen.
»Keine Angst«, sagt der Mann erst jetzt, nachdem das Rohr einen Spalt in die Tür gerissen hatte und darin steckte. »Ich bin Wagen meis ter. Frü her war ich Stell ma cher.« Tatsäch lich hatte der Mann das vier Zentimeter dicke Rohr, das von einer Wasserleil ung stammte, aus vollem Schwung gelroffen. Die Tür hing noch in den Scharnieren und wurde von einem Zapften an der Oberkante daran gehindert, durch den Flur zu fliegen. Den Zapfen er le digte Hen ning mit einem gelang weilten Tritt. Der Nachbar folgte ihnen unaufgefordert in die Wohnung, die Kjell und Henning nun vorsichtig erkundeten, und fühlte sich augenscheinlich gleich wie zu Hause. An der Garderobe betastete Kjell eine Garnitur Schutzkleidung, wie sie Leute bei der Bahn trugen.
»Alle hier im Haus arbeiten bei SF drüben im Depot«, erklärte der Mann. »Kennst du Jon Ola?«
Der Mann zuckte mit den Schultern. »Er ist im Werk für die Schlösser zuständig.«
»Nicht nur im Werk«, sagte Kjell und bat ihn, sich ins Treppenhaus zu stellen und Bescheid zu geben, wenn jemand die Treppe hinaufging oder unten den Lift rief. Er machte sich über alle Schubladen her und stieß auf Sundmans Lohnabrechnung.
»Henning!«, rief er durch den Flur. »Der Kerl ist Schlosser bei der SF. Deshalb kommt er so elegant in jede Wohnung und kann sich Schlüssel nachmachen.«
Henning trat aus einem der Zimmer. »Komm lieber mal her!«, rief er und winkte.
Das Zimmer diente als Lager für Computer und andere technische Geräte. Henning hielt eine Kamera in der Hand, als hätte er gerade das Geschenkpapier darum abgewickelt. »Frohe Weihnachten!«, wünschte er.
In der anderen Hand hielt er das Notebook. Es sah schwer aus. Sie ließen sich auf dem schmuddeligen Junggesellensofa nieder und warteten darauf, dass der Computer endlich bereit war, ihre Fragen zu beant wor ten.
Die Stunden um Peterssons Tod ließen sich nur schwer finden. Die Videodatei en wa ren mit ei ner lau fenden Num mer be titelt. Datum und Zeit erfuhren sie erst durch die Einblendung im Videobild. Das Bild war immer auf das Fenster der Wohnung gezoomt, und ohne die Einblendung hätte man nicht mal die Jahreszeit erahnen können, oder ob draußen die Sonne schien oder alles im Dunkeln lag. Die Kamera schwenkte immer zwischen den drei Fenstern hin und her, je nachdem, hinter welchem gerade etwas geschah. Plötzlich ein Schnitt. Dann war Ida im Bild. Kjell keuchte aufgeregt. Das war nicht Peterssons Wohnung. Es musste bei Sahlin sein. Ida brachte Sahlin Einkaufstüten, trank Kaffee und ging dann wieder.
»Das muss Tage vorher gewesen sein«, überlegte Kjell. »Probier die nächste Datei.«
Henning tat wie geheißen und eilte im Schnellvorlauf durch mehrere Tage. Er wollte die Datei gerade schließen.
»Warte!«
»Solange kein Schnee kommt, sehen wir den Mord nicht.« »Wer ist das da?« »Pe ters son und Mari.«
Die Kamera war auf das winzige Schlafzimmer gerichtet. »Das ist nicht Petersson. Das ist … Das darf Linda nie erfahren!«
Kurz vor Kjells Nervenzusammenbruch setzte endlich der Schnee ein.
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