Der Zweite Tod
darauf vert rauen, dass Barbro das Richt ige tat. Barbro runzelte die Stirn, als ob sie sich vor diesem Gedanken ekelte, und nahm das Papier auf. Sie strich es glatt und las. »Man kann doch gar nicht bei der Gruppe kündigen«, sagte sie dann kopfschüttelnd. »Man wird hineingeboren und scheidet erst durch Tod aus, natürlich oder auch unnatürlich.« Barbro grinste dabei bemüht. »Zum Beispiel, wenn man von einem Brandpfeil getroffen oder von einer riesigen Schiffsschraube zerfetzt wird.« Mit diesen plastischen Beispiel en ließ sie sich auf die Lehne von Sofis Sessel sinken und legte den Arm um ihre Schultern. Auch sie schien ihren verwahrlosten Zustand zu bemerken und rümpfte die Nase.
»Ich schlage vor, wir machen uns einen schönen Kaffee, und Sofi geht mal eben duschen.«
Bisher war er insgeheim davon ausgegangen, dass sich Sofi in Kairo zu weit vorgewagt hatte. Damit musste man bei ihr immer rechnen. Sofi erkannte den Punkt nicht, wo man aufgeben und um Hilfe bitten musste. Rückschläge hatte sie einige erlebt. Ihre Kollegen wurden meist nur durch ihr hektisches Gegensteuern darauf aufmerksam. Dass sie lethargisch war, hatte er noch nie erlebt. Und sie ließ sich durch nichts aus dieser Lethargie reißen. In ihrem Bericht erwähnte Sofi nicht, was genau ge schehen war.
Barbro ließ nicht nach. Sie drohte Sofi, dass sie und Kjell sie zur Not auch eigenhändig waschen würden. Und man könne dazu auch noch Henning herbeiholen. Sofi stieg unter die Dusche, Barbro und Kjell kochten in der Küche Kaffee. Da sich in ihrem Kühlschrank nichts befand, zog sich Kjell die Schuhe an und ging zum Supermarkt. Als er mit drei vollen Tüten zurückkehrte, saß Sofi wieder in ihrem Sessel und trug einen grünen Sportanzug. Aus ihren zurückgekämmten Haaren tropfte noch Wasser. Er hörte, dass die beiden Frauen in ein Gespräch vertieft waren. Deshalb trug er die Tüten in die Küche und räumte den Inhalt in die Schränke. Dabei fiel sein Blick auf den Flur, an dessen anderem Ende die Tür zum Schlafzimmer offen stand. Keine Wohnung sprach so zu ihm wie die von Sofi. Die Wärme und Gemüt lich keit ihrer Woh nung erstaunte jeden, der sie kannte. Und mit tendrin et was Rotes, näm lich das Bett la ken. Das war rosenrot. Wenn man bei Sofi Rot entdeckte, konnte man nicht umhin, darin eine Bedeutung zu suchen, wie bei einem dicken Roman, der nur ein einziges Aus ru fe zeichen enthält. Irgendwo tauchte bei ihr immer etwas Rotes auf. Das war ihr Aus ru fezeichen, für alle ande ren jedoch ein Frage zeichen. Er verstand das alles noch nicht, traute sich jedoch nicht zu fragen, aus Angst, die Wahrheit könnte ganz banal sein.
Später, als Sofi endlich allein war, klingelte das Telefon. Sie schlich in den Flur und beäugte das Display. Sie kannte diese Nummer nicht. Widerwillig hob sie ab.
Nik las Kullg ren. Der Chef der schwe dischen Sicher heits polizei rief bei Sofi Johansson zu Hause an.
»Sofi!« Seine Stimme klang besorgt, aber auch herrisch. Sie schluckte, und das hörte er.
»William ist heute nach Schweden zurückgekehrt. Ich habe soeben den Bericht über die Aktion in Kairo bekommen. Cederström war auch bei mir, und ich habe ein wenig Angst, dass er noch mal mit ei nem Baseball schläger zu rück kommt.« Kullgren lachte seinem Witz hinterher.
Sofi schwieg. Baseballwitze, die von der Säpo selbst kamen, wa ren blöd.
»Du hast richtig gehandelt. Cederström sagte, dass du angeschla gen bist.«
Angeschlagen? Nannte man das so bei der Säpo? Sie schniefte. Sie war ausgezählt! »Sag mir, was passiert ist.«
Es war ein Befehl, wenn auch ein privater. Er klang väterlich streng, und Sofi gehorchte. Keinem von den Menschen, die ihr na hestanden, hatte sie et was ver raten. Ausgerech net dem Chef der Sicherheitspotizei schüttete sie nun am Tetefon ihr Herz aus.
Sie redete wohl eine ganze Viertelstunde. Er unterbrach sie nicht.
»Natürlich musstest du das Geld zurückbringen. Sie hätten dich auf jeden Fall sofort getötet oder am nächsten Tag, wenn du es nicht getan hättest. Von William Lindskog ganz zu schweigen.«
Sie sprachen noch einige Minuten darüber, wer diese Leute ge we sen sein könnten. Kullg ren ver mutete, dass man die Mafia ausschließen konnte. Die hätte Sofi nach der Geldübergabe nicht gehen lassen. Kullgren glaubte an eine Dorfgemeinschaft, wie es in Ägypten zahlreiche davon gab. Sie bestanden aus Grabplünderern oder Fäl schern.
»Die haben einen ausgeprägten Ehrenkodex. Deshalb
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