Der Zweite Tod
musste. Wenn Sofi dies bei ihrem letzten Besuch gesehen hätte, hätte sie Kajsa ihre Hausfrauenfassade wohl nicht abgekauft. Die neun ausgeliehenen Bücher konnte Sofi nicht entdecken. Deshalb ging sie hinab und sprach Lasse darauf an.
»Die müssten dann auf ihrem Schreibtisch liegen«, vermutete er. »Anderswo im Haus können sie nicht sein. Vielleicht in Uppsala?«
Dort hatten sie nichts gefunden. Weil sie in dem Sommerhaus gearbeitet hat!, schoss es Sofi durch den Kopf. Kajsa, Carl und das Sommerhaus, von dessen Existenz Lasse nicht den geringsten Schimmer gehabt hatte.
Sofi suchte und kramte noch eine Weile an Kajsas Arbeitsplatz, fand jedoch nichts. Als sie die Treppe hinunterging, fiel es ihr ein. Sie sprang wieder nach oben. Die Handschrift! Die Handschrift, die in Peterssons Wohnung auf so vielen Notizen auftauchte, das war Kajsas Schrift! Sofi machte einen kleinen Luftsprung. Der alte Holzboden knarzte bedenklich.
Sie bedankte sich bei allen und stand zum Schluss vor Lasse, der in der ganzen letzten halben Stunde nervös gewirkt hatte. Ohne Absicht nahm sie ihn in den Arm und drückte ihn fest an sich. Lasse wurde augenblicklich ruhig. Auch ihr tat die Umarmung gut, obwohl sie den Mann gar nicht kannte.
Draußen im Wagen führte sie ein kurzes Telefonat mit Kjell und berichtete ihm von den Büchern, die Kajsa in den letzten zwei Jahren ausgeliehen hatte.
»Kajsa hat zur Zeit neun Bücher ausgeliehen, und ich glaube, dass sie in dem Haus verbrannt sind. Ich habe ihren Arbeitsplatz in der Universität und ihren Schreibtisch zu Hause untersucht.«
»Sind das Bücher zum Diskos?«
»Nein, eben nicht! Zur Zeit hat sie nur Bücher über antike Kunst ausgeliehen, und zwar über ein ganz bestimmtes Thema. Die Bema lung alt ä gyp tischer Särge. Und drei der Bü cher beschäftigen sich mit antiker Magie.«
»Die Spurensicherung steckt noch mitten in ihrer Arbeit mit dem Haus. Da wissen wir noch nichts Genaues. Aber Per meint, dass es dort eine Menge Papier gegeben hat. Das Haus schien eine Art Büro zu sein.«
Kurz vor der Mittagszeit fuhr Henning durch die Hauptstraße von Norrtälje. Er musste noch ein gutes Stück weiter nach Norden. Er erreichte Söder by Karl um ein Uhr. Das Navigationssystem lotste ihn nicht durch den Ortskern, sondern direkt zu einer Adresse im Süden. Als er vor dem blassgelben Haus den Wagen abstellte, trat ein älterer Mann aus dem Eingang und blieb einen Meter später stehen. Henning schritt auf ihn zu. Es war der Vorbesitzer des Sommerhauses. Die Haare des Mannes waren zerzaust und seine Strickjacke abgewetzt, seine Erinnerung jedoch nicht. In einer Viertelstunde hatten sie alles geklärt.
Kajsa Björklund war im September letzten Jahres zusammen mit einem Mann zu ihm gekommen. Die Bes chreibung des Mannes passte zu Carl Petersson. Henning konnte sogar recht sicher sein, dass er es gewesen war, denn Kajsa hatte ihn als ihren Vater ausgegeben. Ihr wirkl icher Vat er war jedoch schon seit zehn Jahren tot.
Die gute SnasfriSur hatte in Windeseile herausgefunden, dass der Kaufpreis von 250 000 Kronen weder von Carl Peterssons Konto stammte noch von dem Konto, das das Ehepaar Björklund gemeinsam führte. Zudem wusste er, dass diese Summe weit außerhalb ihrer Mögl ichkeit en lag. Moa hatte Lasse in diese Richtung bereits befragt. Lasse wunderte sich nur, wie geschickt Kajsa mit dem Haushaltsetat umgegangen war. Sie hatte stets reichlich eingekauft und die Kinder gut eingekleidet. Lasse hatte die Klagen seiner Kollegen über ständig steigende Preise nie so recht nachvollziehen können. Er gehörte zu den Menschen, die zu träge und bequem waren, solche Widersprüche zu ergründen. Er hatte seine Frau nie gefragt.
Da hatte Kajsa sich wohl ein bisschen dazuverdient, dachte Henning. Seine Bilanz nach dreißig Jahren bei der Polizei war, dass die zerstörerischste Kraft im Universum immer noch die Wahrheit ist. Oder auch die Lüge. Das Spannende am Leben war für Henning, dass man es nie so genau wusste und dass genug Platz für ordentliche Wetten blieb.
54
Die Abendbesprechung fand an diesem Tag schon um drei Uhr statt. Der erste Referent war Per.
»Nie und nimmer ging es da um Spurenvernichtung. Ein ordentliches Feuerwerk sollte es werden. Der Brandstifter hat die Spuren nicht vernichtet, sondern nur gut in der Gegend verteilt. Natürlich kann man …«
»Ich habe dazu auch noch etwas zu sagen«, fiel ihm Hans ins Wort.
»Dann bitte«, entschied Kjell.
Sie dämpften das
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