Der Zweite Weltkrieg
deutlich mehr als der Westen zu bieten gewillt gewesen war. Und womöglich würden sich die kapitalistischen Staaten bald gegenseitig zerfleischen, während er, Stalin, als lachender Dritter würde ernten können.
Freibrief für Hitlers Krieg gegen Polen: Sowjetaußenminister Molotow am 23.8.1939 bei der Unterschrift unter den deutschsowjetischen Nichtangriffspakt. Hinter ihm Reichsaußenminister von Ribbentrop (links) und der sowjetische Dikator Stalin
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(c) dpa/picture alliance
Durchbruch an allen Fronten
Beginn des Feldzugs gegen Polen (1.9.1939)
Von Ostpreußen bis in die Slowakei traten in der Morgenkühle des 1.9.1939 zwei deutsche Heeresgruppen mit fünf Armeen und anderthalb Millionen Mann zum Angriff gegen Polen an. Ohne Kriegserklärung stießen motorisierte Verbände, gefolgt von Infanteriedivisionen, aus Pommern und Ostpreußen sowie aus Schlesien in zwei Keilen ins Innere Polens vor. Das polnische Heer war zahlenmäßig unterlegen. Der Vorteil der inneren Linie nützte nichts, denn die entscheidenden Defizite lagen in der Bewaffnung: Gegen rund 2500 deutsche Panzer hatten die Polen nur 600 Kampfwagen und 11 Kavalleriebrigaden aufzubieten, und in der Luft verfügte Deutschland über mehr als doppelt so viele Maschinen, noch dazu über weit modernere. Zwei Luftflotten mit über 1100 Kampfflugzeugen unterstützten die Operationen der deutschen Bodentruppen und schalten das Gros der veralteten feindlichen Luftstreitmacht schon in den ersten Stunden aus.
Zur Gewaltlösung seit langem entschlossen
Seit Monaten hatte ein Nervenkrieg zwischen beiden Ländern getobt, jetzt sprachen die Waffen. Und wenn auch Hitler erst um 10 Uhr morgens vor den Reichstag trat und den Kriegszustand erklärte, so wusste Warschau doch schon lange, dass der „Führer“ nicht pokerte, sondern zur Gewaltlösung entschlossen war. Planmäßig hatte er das politische Vorfeld bereinigt, die viele Jahre zum Schein gepflegten guten Beziehungen zum Nachbarland zerstört und sich um Isolierung des Gegners bemüht. Der Pakt mit Stalin am 23.8.1939 bildete nur den Schlussstein. Gab es noch eine Chance für den Frieden? Hitler fürchtete nichts mehr als das. Zwar war Italien nicht kriegsbereit, und London hatte erst am 25.8. Polen eine Beistandsgarantie gegeben. Doch Hitler traute den „verweichlichten“ Demokratien nicht zu, dass sie zu ihren Versprechungen stehen würden. Und Hilfe aus Rom konnte er momentan ohnedies nicht brauchen.
Er hatte es brandeilig. Wie hatte er am 22. August auf dem Obersalzberg seinen Generälen unverblümt gesagt? „Ich habe nur Angst, dass mir noch im letzten Moment irgendein Schweinehund einen Vermittlungsplan vorlegt.“ Das blieb ihm erspart. Nun schufen die deutschen Truppen Fakten. Sie brachen an allen Fronten durch. Danzig wurde schon wenige Stunden nach Angriffsbeginn dem Deutschen Reich angegliedert. Hinter der rollenden Front rückten sogenannte Einsatzgruppen nach, die eines der finstersten Kapitel dieses Krieges schreiben sollten. Ihren Auftrag hatte Hitler ebenfalls auf dem Obersalzberg auf die Formel gebracht: „Herz verschließen gegen Mitleid. Brutales Vorgehen. Größte Härte!“
Gleiwitzer Sender
Er werde, versprach Hitler am 22.8.1939 vor hohen Offizieren, einen „propagandistischen Anlass zur Auslösung des Krieges geben, gleichgültig, ob glaubhaft“: Am 31.8.1939 überfiel gegen 20 Uhr ein deutsches Einsatzkommando in Zivil unter SS-Sturmbannführer Naujocks den Rundfunksender in der oberschlesischen Industriestadt Gleiwitz, unterbrach das Programm und verlas einen polnischen Aufruf zum Kampf gegen Deutschland. Zum Beweis der polnischen Täterschaft ließ man einen erschossenen KZHäftling (SS-Jargon: „Konserve“) in polnischer Uniform zurück. Hitler behauptete daraufhin am nächsten Tag bei der Verkündigung des Beginns des Polenfeldzugs vor dem Reichstag: „Polen hat nun heute Nacht zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium auch durch reguläre Soldaten geschossen …“ In Wirklichkeit war der Propagandacoup ein Flop, weil der Sender zur Tatzeit nur lokal ausstrahlte. Erst die NS-Zeitungen vom Folgetag konnten für die nötige Aufbauschung sorgen
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Breitseiten des alten Linienschiffs „Schleswig-Holstein“ auf polnische Befestigungen der Westerplatte vor Danzig eröffneten am 1.9.1939 um 4.45 Uhr die Feindseligkeiten gegen Polen. Das sechs Tage zuvor zu einem „Freundschaftsbesuch“ eingelaufene Schiff war ein Trojanisches Pferd: In seinem Bauch lauerte eine
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