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Der Zwergenkrieg

Der Zwergenkrieg

Titel: Der Zwergenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ersten Schritt gemacht, als er sah, dass er nicht mehr allein im Stollen war.
    Etwas, jemand, kam auf ihn zu, jagte heran, blitzschnell, und in seinen Händen funkelte Stahl.
    Alberich sprang zur Seite, konnte dem Schlag der Axt gerade noch ausweichen. Er war geübt im Kampf und hatte in dutzenden, in hunderten solcher Duelle gesiegt. Jetzt aber lähmte ihn der Anblick seines Gegners bis ins Mark. Es war kein Mensch, der ihm da entgegentrat, auch keine Ausgeburt dämonischer Felsenschlünde.
    Es war ein Zwerg.
    Und das war vollkommen unmöglich.
    Alberich blieb keine Zeit, sich zu wundern oder gar Fragen zu stellen. Der nächste Angriff seines Gegners kam schneller, als er erwartet hatte, und mit mörderischer Präzision.
    Die feindliche Axt sauste auf ihn zu, Alberich riss seine Goldgeißel empor und wehrte den Hieb mit dem stählernen Griff seiner Waffe ab. Noch in derselben Bewegung holte er mit den Stachelkugeln Schwung und ließ sie in die Richtung seines Gegners wirbeln, geradewegs auf dessen Gesicht zu. Der andere warf sich zur Seite, doch eine der Kugeln streifte seine Schulter und schlug eine tiefe Kerbe in seinen Lederharnisch. Blut drang aus der Wunde. Die Züge des Verwundeten verzerrten sich, er fletschte die Zähne wie ein wildes Tier.
    Die kurze Kampfpause gab Alberich Zeit, seinen Feind genauer zu betrachten. Es war ein Zwerg, daran bestand kein Zweifel. Er war eine Hand breit größer als er selbst und um einiges jünger, fast noch ein Frischling, vielleicht vierzig, fünfzig Jahre alt. Sein lederner Panzer wies kaum Kerben oder Kratzer auf, so als hätte sein Träger ihn noch nie in einem echten Kampf erprobt. Langes braunes Haar wucherte unter einem halbrunden Helm hervor, der Bart des Zwerges war kurz geschnitten. Sein Gesicht war eingefallen und grau, er wirkte ausgehungert wie nach einem langen Marsch, bei dem ihm die Verpflegung ausgegangen war.
    »Warum greifst du mich an?«, fragte Alberich in der alten Zwergensprache. Als er sie zuletzt benutzt hatte, war er noch ein Kind gewesen.
    Die Züge seines Gegners verzogen sich zu einem wilden Grinsen. »Du wirst sterben, Alter«, zischte er zwischen aufgeplatzten Lippen. Seine Aussprache klang seltsam, ohne dass Alberich hätte sagen können, was ihn daran so irritierte.
    »Ich bin viermal so alt wie du, Junge«, sagte Alberich, »und ich habe in mehr Schlachten gekämpft, als du zählen könntest. Sei nicht dumm und gib endlich auf.«
    Die Antwort war ein aufgebrachter Schrei, und dann schlug auch schon erneut die Axt auf ihn ein. Die scharfe Schneide verfehlte ihn nur um Fingerbreite, und da wurde ihm endlich klar, dass es in diesem Kampf keine friedliche Übereinkunft geben würde.
    Es war Wahnsinn. Vollkommener Wahnsinn. Es gab keine Zwerge mehr am Rhein, sie waren vor zwei Jahrhunderten von hier verschwunden. Alberich war der letzte, hatte sein ganzes einsames Leben mit dieser Gewissheit zugebracht. Und jetzt, wie aus dem Nichts, tauchte einer von seinem Volk auf, und statt sich zu verbrüdern und ihre gegenseitige Neugier zu stillen, kämpften sie miteinander auf Leben und Tod.
    Alberich ließ die Goldgeißel in engem Winkel vorschnellen, ihre Ketten wickelten sich um den Stiel der Axt, und eine der Kugeln bohrte ihre Stacheln in den Handrücken des jungen Zwerges. Er schrie auf und zerrte an seiner Waffe, ohne sie jedoch freizubekommen.
    »Hör endlich auf!«, verlangte Alberich noch einmal, doch er hatte kaum zu Ende gesprochen, da ließ der Junge die Axt los und riss ein Kurzschwert aus seinem Gürtel. Alberich taumelte zurück und purzelte über einen Stein, schlug der Länge nach hin, mit dem Oberkörper über das Wirrwarr aus Axt und Geißel. Der junge Zwerg reagierte zu spät, konnte seinen Lauf nicht mehr bremsen, stolperte ebenfalls und wurde von seinem eigenen Schwung über Alberich hinweggetragen. Mit einem gellenden Kreischen schlitterte er über die Felskante hinweg. Als Alberich wieder auf die Beine kam, war sein Gegner bereits in der Schwärze verschwunden.
    Niedergeschlagen und enttäuscht vom unnötigen Tod des Jungen trat er von der Kante zurück, löste die Geißelketten vom Griff der Axt und schleuderte die zweischneidige Waffe in hohem Bogen hinaus in die Finsternis. Dann drehte er sich um und machte sich durch den leeren Minenstollen auf den Rückweg.
    Die Trommeln waren verstummt.

KAPITEL 3
    Grimma blickte noch einmal zurück zu dem offenen Viereck in der Höhlendecke. König Thorhâl stand am Rande der Öffnung, in

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