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Der Zwergenkrieg

Der Zwergenkrieg

Titel: Der Zwergenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Plätschern der Wasserrinnen. Kein Trommeln mehr und auch kein anderer Laut, den man dafür hätte halten können.
    Alberich wickelte die Ketten der Goldgeißel mit einer beiläufigen Handbewegung um den Griff. Schlimm genug, dass sein Atem so raste und sein Herz laut genug schlug, um selbst Löwenzahn aus seinem Schlummer zu reißen. Er musste seine Anwesenheit nicht auch noch durch das Klingen der Stachelkugeln verraten.
    Er verharrte noch einen Augenblick, dann setzte er seinen Weg fort. Das Trommeln konnte von überall hergekommen sein, aus jedem Winkel der Zwergenstadt, und doch sagte ihm eine innere Stimme, dass sein Ursprung in den unteren Ebenen zu finden war, in den alten Minenschächten oder, schlimmer noch, in der Horthalle.
    Im Grunde aber sprach alles für ein Hirngespinst. Warum sollte jemand, dem es wider Erwarten gelungen war, in den Berg einzudringen, eine Trommel schlagen? Würde er nicht so leise wie möglich einstecken, was es einzustecken gab, und sich ohne viel Aufhebens davonmachen? Alberich war kein Dieb, doch er verstand genug von der Räuberei, dass ihm die Geräusche einige Rätsel aufgaben. Wenn er ehrlich zu sich war, konnte es nur eine Lösung geben. In Wahrheit hatte es gar keine Geräusche gegeben, ganz gewiss kein Trommeln. Sollte er nicht genug Ehrgefühl aufbringen, sich seinen Fehler – schlimmer: seine Panik – einzugestehen?
    Doch so einfach war das nicht. Er war der Horthüter, der Wächter vom Hohlen Berg. Und es war seine Aufgabe, ungewöhnlichen Lauten nachzugehen, noch dazu, wenn sie wie das Dröhnen fremder Kriegstrommeln klangen.
    Unter den feindseligen Blicken der Wasserspeier durchquerte er die Schlucht, stieg an ihrem Ende eine enorme Freitreppe hinab und machte sich auf zum nächstbesten Schacht, der ihn auf geradem Weg in die Minen führen würde.
    Er hatte gerade den Zugang zum höchstgelegenen Minenstollen erreicht, als das Trommeln von Neuem begann.
    Und diesmal klang es nah!
    Die Stollen waren nur grob aus dem Fels gehauen, kein Vergleich zu den reliefgeschmückten Fluren und Hallen des Wohnbereichs. Decken und Wände der Minen waren durch Balken abgestützt. Wasserrinnen gab es hier nicht. Alberich mochte sich täuschen, aber er hatte das Gefühl, als sei das Licht hier unten schwächer, trotz der größeren Nähe zum Hort. Fast, als würde der magische Glanz des Goldes von den kantigen, hässlichen Wänden der Minenstollen abgestoßen; eine Flucht der Anmut vor dem Unvollkommenen. Ein weiterer Beweis dafür, dass der Hortglanz einen eigenen Willen, ein eigenes Leben besaß. Alberich war sicher, dass der ganze Berg in Finsternis versinken würde, wenn der verfluchte Xantener seine Drohung wahrmachen und den Schatz von hier fortbringen würde. Alberich würde lieber sterben, als diesen Tag mitzuerleben.
    Das Trommeln ging weiter, dumpfes, träges Dröhnen. Alberich lockerte die Ketten der Goldgeißel und stieg tiefer in das Labyrinth der Stollen. Nach einigen hundert Schritten gelangte er an eine Stelle, an der die Arbeiter auf eine Blase im Fels gestoßen waren, ein natürlicher Hohlraum, in dessen oberen Teil der Stollen mündete. Der Weg endete an einer Steilwand, und jenseits davon lag nichts als Schwärze. Weder Wände noch Boden waren zu erkennen. Das undurchdringliche Dunkel schien sogar das Trommeln aufzusaugen wie ein Schwamm; die Laute klangen hier weniger hallend, fast stumpf.
    Alberich wusste, dass vor vielen Jahren einige Zwerge in diese Schwärze hinabgestiegen waren und nach tagelangem Klettern und Abseilen den Grund erreicht hatten, eine finstere, unbewegte Wasseroberfläche, unterhalb deren nichts zu leben schien, gewiss keine Fische. Sicher war nur, dass es keinen unterseeischen Zugang zu dem Gewässer geben konnte, denn da sich die Minen unterhalb des Rheins befanden, hätte eine Verbindung zwischen dem Fluss und dem See unwillkürlich die unteren Ebenen überflutet. Die Zwerge waren zurückgekehrt, kaum klüger als zuvor; sie hatten mehrere ihrer Kameraden verloren, die während des Abstiegs abgestürzt waren, und auch am Ufer des unterirdischen Gewässers hatte es keine Spur mehr von ihnen gegeben. Der schwarze See hatte sie einfach verschluckt.
    Alberich hatte vermutet, dass die Quelle des Trommelns hier zu finden sei, nur eine Ahnung, die sich jetzt jedoch als falsch erwies. Während er an der Kante stand und in die lichtlose Finsternis blickte, ertönte das Trommeln ganz eindeutig in seinem Rücken.
    Er wollte umkehren, hatte schon den

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