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Der Zwergenkrieg

Der Zwergenkrieg

Titel: Der Zwergenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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schon im nördlichen der drei Gänge. Der Boden war hier leicht abschüssig und machte nach dreißig oder vierzig Schritten eine leichte Linksbiegung.
    »Wo läuft sie denn hin?«, fragte der Zwerg verblüfft, doch Mütterchen und Löwenzahn hatten sich bereits in Bewegung gesetzt und folgten dem Moosfräulein.
    »Steh nicht rum«, rief Mütterchen über die Schulter, »und tu schon, was sie sagt!«
    Für Mütterchens alte Augen reichte das Zwielicht des Hohlen Berges nicht weiter als fünfzehn Schritte, dahinter verschmolz alles in trüber Düsternis. Löwenzahn mochte ein wenig besser sehen als sie, wenn auch lange nicht so gut wie Alberich. Doch selbst der Zwerg gab bald zu, dass er Geist aus den Augen verloren hatte.
    Mütterchen wunderte sich. Sie hatten ausgemacht, sich vorerst nicht zu trennen, und umso mehr verblüffte sie, dass Geist sich so leichtsinnig von ihnen entfernt hatte. Irgendetwas hatte das Moosfräulein alle Vorsicht vergessen lassen.
    »Wohin führt dieser Gang?«, fragte sie im Laufen.
    Alberich atmete angestrengt ein und aus. »Er geht irgendwann in einen Treppenschacht über, der in den unteren Grotten endet.«
    »Was für Grotten sind das?«, wollte Löwenzahn wissen.
    »Es gibt dort unten einen See, in dem sich das Wasser aus dem ganzen Berg sammelt.«
    Mütterchen und Löwenzahn wechselten einen Blick. »Glaubst du …?«, begann die Räuberin.
    Der Krieger nickte. »Das wird es sein.«
    Alberich hatte Mühe, mit den langen Beinen der beiden anderen mitzuhalten, sogar mit Mütterchen, der ihr Alter mehr zu schaffen machte, als sie sich eingestehen wollte. »Könntet ihr mir verraten, wovon ihr sprecht?«, fragte der Zwerg.
    Mütterchen erklärte ihm Geists Entdeckung in wenigen Worten, und Löwenzahn nickte bestätigend, ohne seine Geschwindigkeit zu verlangsamen.
    Mütterchen überlegte. »Wenn das, was Geist gespürt hat, sie derart aufregt, dass sie sogar ohne uns dort hinläuft, muss es etwas sein, das …«
    Löwenzahn unterbrach sie, und Schrecken überzog seine Züge wie eine Maske aus Eis: »Etwas, das den Pflanzen schadet!« Und mit diesen Worten raste er los, und kein Zurufen der beiden anderen konnte ihn davon abhalten, sie hinter sich zu lassen. Bald war auch er hinter der Biegung des Felskorridors verschwunden.
    »Sind denn plötzlich alle verrückt geworden?«, fauchte Alberich. Diesmal sah Mütterchen keinen Grund, ihm zu widersprechen. Löwenzahns Sorge um Geist war begreiflich, doch es half niemandem, wenn er blindlings in eine Horde feindseliger Zwerge stolperte – falls es tatsächlich Zwerge waren und nicht etwas noch Schlimmeres. Mütterchen wusste selbst nicht, wie sie auf diesen Gedanken kam – verdammt, alles was sie entdeckt hatten, war ein einziger Zwerg! –, doch ihr Gefühl sagte ihr, dass es tödlich sein mochte, jetzt vorschnelle Schlüsse zu ziehen.
    Wie Alberich vorausgesagt hatte, kamen sie nach einer Weile an den oberen Absatz einer steilen, schier ins Endlose abfallenden Treppe. Die Schachtdecke war sehr hoch, mehrere Mannslängen, dafür aber standen die Wände ungemein eng beieinander. Von Geist und Löwenzahn war nichts zu sehen, nur in weiter Ferne hörten sie das hallende Trommeln von Stiefelabsätzen auf den Stufen.
    Die Treppe machte wie schon der Korridor eine leichte Biegung, allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Das bedeutete, dass sich ihr Verlauf vom Umriss der Horthalle löste. Allein die Vorstellung, all diese Stufen wieder hinaufsteigen zu müssen, ließ Mütterchens alte Knochen schmerzen.
    »Es ist … nicht … mehr weit«, stammelte Alberich atemlos.
    Bald erkannte Mütterchen in der Tiefe einen niedrigen Torbogen, kaum mehr als ein Spalt. Er war von etwas Dunkelgrünem ausgefüllt, möglicherweise von einem Vorhang oder, ja, tatsächlich, von einem Dickicht aus Pflanzen.
    Mütterchen und Alberich erreichten den unteren Treppenabsatz und blieben mit vorgebeugten Oberkörpern stehen. Sie konnten nicht anders, sie mussten einen Augenblick lang verschnaufen.
    Da ertönte von der anderen Seite des Pflanzenvorhangs ein metallisches Scheppern, und einen Wimpernschlag später stolperte Löwenzahn rückwärts in den Treppenschacht. Er hielt seinen gewaltigen Zweihänder fest umklammert, hatte allerdings viel zu wenig freien Raum, um ihn wirksam einzusetzen. Zwei Zwerge drängten hinter ihm durch das Dickicht und setzten ihm mit Äxten zu, die alt und schartig waren. Trotzdem führten die beiden sie mit solcher Kraft und so viel

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