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Der Zwergenkrieg

Der Zwergenkrieg

Titel: Der Zwergenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sie. Sie hatte Wasser noch nie gemocht, und selbst die ungefährlichen Seen im Hohlen Berg hatten sie stets mit Unbehagen erfüllt. Die Tatsache, dass sie nicht sehen konnte, ob irgendetwas unter ihr in der Tiefe lauerte, machte sie unsicher.
    Schon nach wenigen Herzschlägen erkannte sie in der Wand der Senke das Tor, von dem Styrmir gesprochen hatte. Ohne Zögern tauchte er als Erster hindurch. Als Grimma ihm folgte, bemerkte sie zu ihrer Erleichterung, dass dahinter kein langer überfluteter Stollen lag, sondern schon nach zwei, drei Schritten eine weitere Höhle. Prustend und nach Atem schnappend durchbrach Grimma die Oberfläche. Styrmir war neben ihr und schaute sich neugierig um.
    Es war kein grob in den Fels geschlagener Hohlraum wie der Haupttunnel. Vielmehr befanden sie sich in einer Höhle, deren Wände mit Ziegelsteinen verkleidet waren, rechtwinklig nach oben gemauert und sauber verfugt, ganz anders also, als es die Zwerge heute gemacht hätten. Die Erbauer dieser Anlage waren zweifellos dieselben gewesen, die auch die Stadt im Nordland errichtet hatten; auch dort war mit Steinen gearbeitet worden. Damals, vor wer-weiß-wie-vielen Jahrhunderten, war die Baukunst der Zwerge jener der Menschen noch sehr viel ähnlicher gewesen, ein Umstand, der im Hohlen Berg längst in Vergessenheit geraten war.
    Der Raum war sechseckig und maß in der Breite etwa zwanzig Schritte. Der Boden war nicht ebenerdig, sondern wurde nahezu vollständig von Treppenstufen eingenommen, deren untere Hälfte überflutet war. Hier herrschte das gleiche Dämmerlicht wie im Tunnel, ein fahles Schimmern des Gesteins, das nur von Zwergen wahrgenommen werden konnte.
    Grimma und Styrmir schwammen mit wenigen Stößen ans Ufer und kletterten auf die trockenen Stufen. Weiter oben endete die Treppe an einer Plattform, die von vier schmucklosen Säulen begrenzt wurde. In der Rückwand der Plattform gab es einen weiteren schmalen Durchgang.
    »Sieht aus wie eine Art Thronsaal«, sagte Grimma und spürte in sich einen Anflug von Ehrfurcht, den sie sich nicht recht erklären konnte.
    »Oder wie ein Tempel«, bemerkte Styrmir.
    Im Hohlen Berg gab es keine Tempel, jeder Zwerg betete, wann und wo er es für richtig hielt. Die meisten hatten es gänzlich verlernt. Götter taugten nur noch für Flüche und Fürbitten. Damals aber, als die alte Zwergenstraße durch die Felsen des Erdinneren getrieben worden war, mochte das anders gewesen sein.
    Styrmir hatte die gleichen Gedanken. »Es ist genau wie bei den Menschen«, sagte er staunend.
    »Wie meinst du das?«
    »Die Christen errichten an ihren großen Handelsstraßen Kapellen, in denen sie einkehren und ihrem Gott huldigen. Genauso muss es bei unseren Vorfahren gewesen sein. Sie haben diesen Tempel angelegt, damit diejenigen, die auf der Zwergenstraße reisten, unterwegs nicht auf den Beistand der Götter verzichten mussten.«
    »Aber warum gibt es im Hohlen Berg keine solchen Räume?«
    Styrmir rieb sich Wasser aus den Augen. »Vielleicht haben die Bewohner der Nordlandstadt nach der Katastrophe, die ihre Höhlendecke zum Einsturz brachte, den Glauben an die Götter verloren. Als die Überlebenden nach Süden zogen, um ein neues Zuhause zu finden, sprachen sie sich von ihrem alten Glauben los und verzichteten fortan auf jede Art von Huldigung.«
    Styrmirs Worte klangen überzeugend. Grimma ärgerte sich ein wenig, dass sie nicht allein darauf gekommen war.
    »Lass uns nachschauen, was hinter dem Durchgang ist«, sagte sie und bemerkte plötzlich, dass Müdigkeit und Schwäche mit einem Mal wie fortgewischt waren. Sie spürte in sich einen Tatendrang, wie sie ihn zum letzten Mal während der Schlacht im Hohlen Berg gefühlt hatte.
    Gemeinsam mit Styrmir stieg sie die steile Treppe hinauf, bis sie die Plattform erreichten. Vorsichtig schauten sie um die beiden inneren Säulen zur Öffnung in der Rückwand. Dahinter lag im Dämmerlicht ein weiterer Höhlenraum. Die einzigen Geräusche, die sie hörten, stammten von Wassertropfen, die von der Decke hinab zur Oberfläche fielen. Vielleicht verlief hoch über ihnen ein Fluss. Oder aber – und dieser Gedanke flößte Grimma schlagartig Entsetzen ein – sie befanden sich unter dem Meeresboden, und über den Felsen erstreckte sich ein endloser Ozean.
    Nein, beruhigte sie sich hastig, das war unmöglich. Sie waren schon zu weit gelaufen, sie mussten bereits irgendwo in den Ländern östlich des Rheins sein. Zwerge verabscheuten das Meer, mehr noch als das

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