Des Abends eisige Stille
war in letzter Zeit länger geworden und schimmerte im Licht der Deckenlampe, dasselbe Weißblond wie sein eigenes.
Simon zog sich einen Stuhl heran, setzte sich und griff nach ihrer Hand.
»Hallo, Liebling, hier bin ich.«
Er sah in ihr Gesicht, wartete auf diese leichte Veränderung ihres Atems, das Zittern ihrer Lider, was darauf hindeutete, dass sie Bescheid wusste, ihn hörte, ihn spürte, und er sich getröstet, beruhigt fühlen konnte.
Die grünen und weißen fluoreszierenden Linien auf dem Monitor liefen in kleinen, regelmäßigen Wellen weiter über den Bildschirm.
Ihr Atem war flach, strömte rasselnd in ihre Lunge und wieder hinaus.
»Ich war in Italien, habe gezeichnet … viele Gesichter. Menschen in Cafés, Menschen auf dem Vaporetto. Venezianische Gesichter. Dieselben Gesichter, wie man sie auf den berühmten Gemälden von vor fünfhundert Jahren sehen kann, ein Gesicht, das sich nicht verändert, nur die Kleidung ist modern. Ich sitze in den Cafés, trinke Kaffee oder Campari und schaue mir einfach die Gesichter an. Niemand stört sich daran.«
Er sprach weiter, aber ihr Gesichtsausdruck blieb unverändert, ihre Augen öffneten sich nicht. Sie war weiter weg, tiefer unten und unerreichbarer denn je.
Er blieb eine Stunde lang, seine Hände über ihren, redete leise mit ihr, als besänftige er ein verängstigtes Kind.
Draußen wurde ein Medikamentenwagen durch den Flur geschoben. Jemand rief etwas. Simon überkam eine gewaltige Müdigkeit, und für einen Moment hätte er am liebsten seinen Kopf neben Martha auf das Bett gelegt, um zu schlafen.
Das Zuschwingen der Tür ließ ihn hochschrecken.
»Si.«
Sein Schwager, Cats Ehemann Chris Deerborn, kam ins Zimmer. »Ich dachte mir, du könntest das brauchen.« Er hielt ihm einen Styroporbecher mit Tee hin. »Cat hat mir erzählt, dass du hergekommen bist.«
»Martha sieht nicht gut aus.«
»Nein.«
Simon stand auf und streckte seinen Rücken, der immer schmerzte, wenn er zu lange saß. Er war einen Meter zweiundneunzig groß.
Chris legte die Hand auf Marthas Stirn und sah auf die Monitore.
»Was meinst du?«
Chris zuckte die Schultern. »Schwer zu sagen. Sie hat all das schon früher gehabt, aber jetzt spricht eine Menge gegen sie.«
»Alles.«
»Viel hat sie sowieso nicht vom Leben.«
»Können wir uns da sicher sein?«
»Ich glaube schon«, erwiderte Chris sanft.
Sie blickten auf Martha hinunter, bis Simon seinen Tee ausgetrunken hatte und den Becher in den Abfalleimer warf.
»Jetzt schaffe ich es nach Hause. Danke, Chris. Ich bin fix und fertig.«
Sie gingen zusammen. An der Tür blickte Simon sich um. Seit seiner Ankunft hatte sich nichts geändert, kein Zucken, kein Anzeichen dafür – abgesehen vom rasselnden Atmen und dem stetigen Klicken des Monitors –, dass der Körper im Bett einer lebendigen jungen Frau gehörte. Er ging zurück, beugte sich über Martha und küsste ihr Gesicht. Die Haut war feucht und leicht flaumig, wie die Haut eines neugeborenen Babys.
Simon glaubte, sie nicht lebend wiederzusehen.
[home]
4
G unton?«
Natürlich musste es was zu meckern geben, sogar heute, bloß um ihn wissen zu lassen, dass sich nichts geändert hatte, nicht bis um acht am nächsten Morgen.
Er drehte sich um.
Hickley hielt eine Harke hoch. »Nennst du das sauber?«
Andy Gunton ging zurück in den langen Schuppen, wo alle Gartengeräte untergebracht waren. Er hatte den Schlamm so sorgfältig wie immer von der Harke gekratzt. Falls Hickley, der einzige Schließer, mit dem er nie zurechtgekommen war, einen Dreckfleck zwischen den Zinken gefunden hatte, dann hatte er den selbst dahin gemacht.
»Keine dreckigen Geräte, du weißt, wie das läuft.« Hickley schob Andy die Harke vors Gesicht.
Nur zu, bedeutete die Geste, mach nur, wehr dich, werd frech, geh mit der Harke auf mich los … Tu es, und ich lass dich für einen weiteren Monat einbuchten, worauf du dich verlassen kannst.
Andy nahm die Harke und trug sie zu der Werkbank unter dem Fenster. Sorgfältig wischte er jede Zinke ab, fuhr mit dem Tuch durch die Zwischenräume und rieb dann immer wieder über den Stiel. Hickley beobachtete ihn mit verschränkten Armen.
Hinter dem Fenster lag der verlassene Gemüsegarten, die Arbeit für diesen Tag war beendet. Einen einzigen, seltsamen Moment lang dachte Andy Gunton, ich werde ihn vermissen. Ich habe Samen ausgesät, deren Früchte ich nicht ernten werde, ich habe Pflanzen eingesetzt, um deren Wachstum ich mich nicht mehr
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