Des Kaisers Gespielin (German Edition)
klopfte mir bis zum Hals. Sie mussten die halbe Nacht hindurch gefahren sein. Das war es also! Das Ende meiner Kindheit, meiner Unschuld wartete auf mich und ich sah keinen Weg, dem zu entkommen. Ich konnte natürlich aus dem Fenster springen, mich in den Wäldern verstecken... aber dann? Ich wusste nichts über die Wildnis und wenig über Entbehrung und kannte abgesehen von den Bewohnern dieses Hauses keine Menschenseele auf der Welt. Wahrscheinlich würde ich innerhalb eines Monats tot sein.
Meine tauben Beine trugen mich die Treppe hinab, ich fühlte mich benommen. Es roch nach Staub und nach Wachs, nach Zuhause eben, und ich atmete tief ein um den unverwechselbaren Geruch tief in meiner Erinnerung zu verankern. Im Foyer stand schon mein Abschiedsgeleit in Form meiner Eltern und Elli. Mutter drückte mich kurz an sich und flüsterte mir ins Haar: “Pass auf dich auf und mach uns keine Schande!“
Vater reichte mir umständlich die Hand: „Denk an uns, wenn der Kaiser...“
Er stockte und schaute verlegen zu Boden, als könnte er kaum glauben, was er da eben zu sagen versuchte. Noch vor wenigen Tagen wäre es undenkbar gewesen, dass er von so etwas sprach, war die Unschuld seiner Töchter doch die wichtigste ihrer Eigenschaften. Und jetzt...? Er musste nicht weiter reden, ich verstand und nickte fast unmerklich. An der Tür riss mich Elli förmlich in ihre alles umschließende Umarmung. Tränen liefen an ihren Wangen hinab. Einen letzten Augenblick lang lehnte ich mich an ihren weichen Busen, atmete ihren süßen Küchenduft ein und raunte ihr zu: „Ich liebe dich!“
Ein lautes Schluchzen entfuhr ihrer Kehle und bevor sich meines darunter mischen konnte, entwand ich mich ihren Armen und trat hinaus. Im Hof wartete bereits eine glänzende braune Kutsche, zwei Sklavinnen standen davor und hielten mir auffordernd die Tür offen. Ich drehte mich nicht noch einmal um. Dies war nun nicht mehr mein Zuhause. Der Kutscher griff nach meiner Tasche, warf sie in einen Kasten neben sich auf den Kutschbock, stieg ihr nach und sah mich ungeduldig an. Mit einem Seufzen erklomm ich die kleine Treppe und wollte mich gerade im Verschlag nach meinem Platz umsehen, als mir vor Schreck ein kleiner Schrei entfuhr. In der hinteren dunklen Ecke saß schon jemand.
Erschrocken über meinen Ausbruch fuhr der Soldat auf und blickte mich entschuldigend an.
„Es tut mir leid, ich wollte Euch nicht erschrecken!“, stammelte er verlegen und wies mit der Hand unsicher auf den Platz, der dem Seinen gegenüberlag.
Eine Eskorte bekomme ich also, dachte ich amüsiert. Ob er wohl aufpassen sollte, dass mir nichts passierte oder doch eher, dass ich ihm nicht weglief, klang es spöttisch in meinem Kopf. Aber mit ausdrucksloser Mine nickte ich ihm nur zu und setzte mich schweigend. Die Sklavinnen folgten mir nach und die Kutsche verließ das Anwesen in Richtung der Kaiserstadt. Schweigend sah ich zu, wie das Anwesen langsam aber sicher meinen Blicken entschwand, wie es von Ferne immer imposanter und herrschaftlicher zu werden schien, weil ich die bröckelige Fassade und die abgeblätterten Fensterläden nicht mehr erkennen konnte.
Der Soldat starrte mich immer noch an, seine Blicke schienen geradezu an mein Gesicht gefesselt zu sein. Ein paar Mal klappte er seinen Mund auf und zu und wandte seinen Blick dann peinlich berührt aus dem Fenster. Hatte er noch nie eine Konkubine gesehen?
Ich tat es ihm gleich. Schwer wurde mein Herz als ich die vertrauten Bäume und Wiesen vorbeiziehen sah. Ob ich jemals hierher zurückkommen würde? Line, dachte ich, Line, wo bist du? Warum hattest du dich nicht von mir verabschiedet? Wusste sie nicht, dass sie mir das Schönste und Wichtigste war?
Als wir schließlich das Dorf passieren, sah ich ihre kindliche Gestalt. Mit Tränen in den Augen stand sie hinter einem Baum nahe dem Tor von Pens Hof und blickte mich geradewegs an, tieftraurig und ein bisschen vorwurfsvoll.
Ach Line, hattest du gedacht, ich würde nicht gehen? Fast schien es so, denn sie sah so überrascht aus, als wäre ich gerade auf einem Elefanten an ihr vorbei geritten.
Ich steckte meinen Kopf zum Fenster hinaus und hob meine Hand zum Gruß. Auf Wiedersehen kleine Schwester!
Plötzlich war es als käme endlich Leben in ihren Körper. Sie warf den Kopf zurück und lief als ginge es um ihr Leben, immer der Kutsche hinterher.
„Lila!“, schluchzte sie und streckte die Hände nach mir aus, als wollte sie mich damit einfangen. Immer und
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