Des Kaisers Gespielin (German Edition)
Anflüge, indem ich sie erzählen ließ, eine hochwillkommene geistig statt körperlich stimulierende Ablenkung. Ravenna besaß eine große Leidenschaft für Bücher und hatte bisher viel ihrer Muße darauf verwendet, sich durch die kaiserliche Bibliothek zu lesen. Ich spürte geradezu die Leidenschaft und die Faszination in ihrer Stimme, wenn sie ausschweifend von anderen Ländern, von Politik und von längst vergangenen Zeiten erzählte. An kühlen Tagen nahm sie mich mit in ihr Reich, einen hohen luftigen Raum gefüllt mit den unterschiedlichsten intellektuellen Ausführungen und in einem kleinen Seitengang, den sie mir mit geheimnisvoller Mine zeigte, auch mit weltlichen Geschichten.
„Was in diesen Büchern steht,“, sagte sie eines Tages mit leicht abfälliger Stimme, „ist alles nicht echt. Es sind ausgedachte Geschichten über Magie und Zauberei, über Fabelwesen und Liebespaare, die es nie gegeben hat.“
Ich spitzte die Ohren. Liebesgeschichten? Vielleicht konnte ich diese Abteilung der Bibliothek noch einmal genauer in Augenschein nehmen, wenn ich allein hierher kam. Vielleicht fand sich hier ein Hinweis, irgend eine Andeutung, die mir bei der Bewältigung meiner eigenen verwirrenden Gefühle von Nutzen sein konnte. Ich beschloss dem später – allein - nachzugehen.
Ravenna beugte sich zu mir herab und flüsterte mir verschwörerisch zu: „Die Geschichten sind zwar nicht echt, aber manche von ihnen sind geradezu... schockierend!“ Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu. „Vielleicht erhältst du hier Antworten auf deine Fragen.“
Mein Gesicht wurde heiß und das Blut pochte mir in den Schläfen. Das hatte sie also gedacht. Dass ich sie aus Neugierde, aus Unwissenheit über den Liebesakt ausfragte. Dass ich einfach nur wissen möchte, wie es zwischen Mann und Frau ist. Fast war ich ein wenig erleichtert, dass ihr der Gedanke gar nicht gekommen war, ich würde aus Eifersucht oder aus morbider Neugier heraus fragen. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Die Fragen einer unwissenden Jungfrau dürften recht einfach zu beantworten sein.
Ein schüchternes Lächeln umspielte meinen Mund, als ich ohne Hinzusehen einige Bände aus dem Regal zog und sie mir ungesehen unter den Arm klemmte. Überall im Raum verteilt standen Tische und Bänke, an denen vereinzelt jemand las. Ravenna und ich zogen uns in eine geschützte Ecke zurück und wandten uns in einvernehmlichem Schweigen unseren jeweiligen Büchern zu. Ich blätterte antriebslos die ersten Exemplare durch. Ravenna hatte Recht. Es waren nutzlose Bücher, die ihrem Leser genau erklären wollten, wie sie sich zu verhalten hätten, sollte ihnen wahlweise ein Riese, ein Drache oder eine Armee aus Feenvolk gegenüberstehen. Sie entlarvten sich schnell selbst als absolut sinnlose Ansammlung von Hirngespinsten. Es waren nicht einmal schöne Geschichten, viel zu viel Augenmerk legten sie auf die blutigsten Einzelheiten. Ein Exemplar legte ich jedoch zur Seite. Es schien eine überraschend schöne Geschichte von der Freundschaft eines Jungen zu einer Elfe zu enthalten, die mich bereits auf den ersten Seiten verzaubert hatte. Antworten auf meine speziellen Fragen schien es aber auch nicht zu enthalten.
Das letzte Buch endlich versprach eine von den gesuchten Liebesgeschichten zu enthalten. Soviel ich auf den ersten Blick sagen konnte, handelte es von einem Mann und einer Frau, die sich unsterblich ineinander verliebten und nach einer Reihe von Irrungen und Wirrungen endlich zueinander fanden. Dieses würde ich später mit aufs Zimmer nehmen und abseits von fremden Blicken lesen. Für den Augenblick vertiefte ich mich neben Ravenna in meine Feengeschichte und ich musste zugeben, dass ich richtig gewählt hatte. Bald war ich so in der Erzählung gefangen, dass Zeit und Raum nur so an mir vorbeizufliegen schienen.
Ravenna bemerkte dies mit amüsiertem Blick und unterbrach mich nur kurz: „Ich sehe, du hast etwas Interessantes gefunden. Feenmärchen also?“
Ich nickte verlegen, trotz Ravennas abschätzigem Urteil genoss ich das Buch sehr. Ich schämte mich ein wenig, es vor ihr zugeben zu müssen, da sie mit ihrer Geringschätzung ausgedachter Geschichten nicht eben zurückhaltend umging. Sie stand auf und hielt mich mit einer Handbewegung zurück, als ich es ihr gleichtun wollte.
„Nein, bleib! Ich habe noch etwas zu erledigen, ich möchte dich überraschen.“, sagte sie geheimnisvoll, aber mit spitzbübisch glitzernden Augen.
Und ohne ein weiteres Wort war sie
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