Des Kaisers Gespielin (German Edition)
du mich geküsst hast... ich war überrascht und irritiert. Aber seitdem habe ich jede Minute meine harsche Reaktion bereut. Es war schön, und ich konnte den Kuss nicht vergessen. Ich brauchte nur etwas Zeit, um meine Gedanken zu ordnen. Ich habe geglaubt, es war nur eine Laune, aber ich habe dich auch vermisst. Du warst meine einzige Freundin hier - seit langer Zeit. Gestern Abend wollte ich mir dir darüber sprechen. Ich wollte immer noch deine Freundin sein. Ich habe mich selbst belogen und geglaubt, dass es eine einfache Erklärung gibt. Ich dachte, wir könnten den Zwischenfall vergessen und einfach da weitermachen, wo wir vorher aufgehört hatten – als Freunde.“
Mein Gesicht verdüsterte sich. Freunde? Ravennas Gesicht verzog sich schmerzvoll, als sie die Erinnerung an den gestrigen Abend noch einmal durchlebte.
„Ich wollte mit dir reden, allein! Aber dann warst du plötzlich verschwunden und niemand wusste, wo du warst. Ich habe dich gesucht, nach dir gefragt. Irgendeine der Sklavinnen machte ein ganz schuldbewusstes Gesicht, als ich mich nach dir erkundigte und da wusste ich, dass etwas geschehen war. Etwas Schlimmes.“
Ravenna musste einen Moment innehalten um sich zu sammeln, ihre Stimme war belegt als sie fortfuhr.
„Die Sklavin deutete nur in Richtung des Gartens und ich bin gelaufen, wie ich noch nie gelaufen bin. Noch auf dem Gang konnte ich einen Schrei hören, deinen Schrei und dann war plötzlich alles still. Und als ich herauskam, da lagst du unbeweglich auf dem Boden und ein Mann saß auf dir und ich dachte, er hätte dich umgebracht... Ich weiß nicht mehr was ich schrie in meiner Wut und in meiner Angst, aber ich schrie. Und er rannte davon. Und du lagst still und halbnackt auf dem Boden und ich dachte, ich hätte dich verloren und ich bereute jede Minute, die ich nicht mit dir verbracht hatte, jedes Wort, was ich nicht zu dir gesagt hatte. Und als du dann wieder zur Besinnung kamst und deine großen Augen mich so vertrauensvoll ansahen, da wusste ich, dass ich dich niemals verlieren wollte. Dass ich es nicht ertragen könnte, ohne dich zu sein... Dass du mehr für mich warst als nur eine Freundin, dass ich dich mit jeder Faser meines Körpers lieben wollte.“
Stille breitete sich zwischen uns aus, als ich versuchte das eben Gehörte zu verarbeiten. All die verpassten Möglichkeiten zogen an meinem inneren Auge vorbei. Was, wenn sie mich nicht gefunden hätte? Was, wenn ich nie in diesen Garten gegangen wäre? Was, wenn ich sie nie geküsst hätte? Jede dieser Vorstellungen erfüllte mich mit Schrecken und ich bekam eine Ahnung davon, wie sehr mein Leben sich in den letzten Stunden verändert hatte. Was für eine Verkettung von Ereignissen nötig gewesen war, um diese Frau hier an meine Seite zu legen. Nachdenklich lagen wir nebeneinander und streichelten uns dabei mit einer fast geistesabwesenden Beiläufigkeit.
Plötzlich sah mich Ravenna aufmerksam an: „Warum bist du eigentlich allein nach draußen gegangen?“
Ihre Frage klang beinahe vorwurfsvoll. In einer ersten Eingebung wollte ich mich rechtfertigen, den Vorwurf zurückgeben. Aber wenn ich jetzt genau darüber nachdachte, dann ahnte ich sehr deutlich, dass nicht sie es gewesen war, die mich in den Garten gerufen hatte. Was hatte sie über die Sklavin gesagt?
„Die Sklavin, die sich mit ihrem schuldigen Blick entlarvt hat... Sie hat mich geschickt. Nachdem du mich an diesem Abend angesprochen hattest, da ging ich davon aus, du hättest sie beauftragt. Etwas anderes ist mir gar nicht in den Sinn gekommen.“ Ich seufzte schwer. „Das war dumm von mir... Ich hätte nicht gehen sollen.“
Ravenna winkte ab.
„Nein, du hättest nicht gehen sollen. Aber du hast recht, woher hättest du das wissen sollen?“
Sie ließ sich zurückfallen und starrte auf die Sterne, die durch das Fenster der Decke glitzerten. Ich konnte die Gedanken förmlich sehen, die ihr in diesem Moment durch den Kopf rauschten.
Ohne mich noch einmal anzusehen, forderte sie mich auf: „Erzähl mir alles, was bei diesem Fest geschehen ist! Wirklich alles, an das du dich erinnern kannst!“
Auch ich legte mich nun auf den Rücken, beobachtete mit ihr den schwarz glänzenden Himmel und begann so lückenlos wie es mir möglich war von den Begebenheiten des Festes zu erzählen.
Von dem Soldaten an meinem Tisch erzählte ich, der so erzürnt schien. Wie er mir aber meines Erachtens keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Als ich ihr von
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