Des Kaisers Gespielin (German Edition)
verstehe. Männer, Frauen – sie sind mir alle fremd.“
„Hach, wer soll schon verstehen, was die Liebe mit den Menschen anstellt.“, winkte Nona ab. „Sie scheinen doch alle nur im Dunkeln zu wandeln.“
Ich zögerte.
„Denkst du manchmal an die Liebe?“
Nona schüttelte entschieden den Kopf.
„Niemals!“, antwortete sie im Brustton der Überzeugung. Dann würde sie rot.
„Liebst du ihn?“
„Wen?“
„Nona? Du weißt, wen ich meine.“
Sie senkte den Kopf.
„Ich weiß es nicht.“, flüsterte sie. „Manchmal meine ich, ich tue es. Aber dann...“
„Wenn es eine Möglichkeit gäbe es herauszufinden, würdest du sie dann nicht ergreifen?“
Nona schüttelte nachdenklich ihren Kopf: „Nein, du hast wahrscheinlich recht. Es ist gut zu wissen, was man fühlt. Was... andere fühlen! Ein kleines bisschen hatte ich nur gehofft... Er fragt oft nach dir, weißt du?“
„Ich weiß.“
„Er wäre gut zu dir.“
„Ich weiß.“
„Und du willst ihn wirklich nicht erhören?“
„Nein.“
Meine Stimme war ganz klein und konnte ihr nicht in die Augen sehen. Ich hoffte einfach darauf, dass mir die Schuld nicht ins Gesicht geschrieben stand. Eine Weile sagte niemand ein Wort, aber Nonas unerschütterliche Fröhlichkeit ergriff wieder überhand, als sie mir einen Spaziergang vorschlug. Dankbar nahm ich an und wenige Minuten später schlenderten wir Arm in Arm durch die Gärten und sie versorgte mich mit dem Klatsch und Tratsch, von dem ich nicht einmal wusste, dass ich ihn vermisst hatte.
Fast unmerklich verlangsamte sich unser Schritt als wir uns dem Planetarium näherten und ich spürte Nonas erwartungsvolle Blicke auf mir. Ich fragte mich, ob es Zufall war, dass uns unser Weg hierher getragen hatte, aber ich gönnte Nona nicht die Befriedigung besonders interessiert zu schauen. Und doch fragte ich mich, ob uns von drinnen der Blick eines weichen Männergesichts folgte.
Ach Nona, dachte ich seufzend, warum kannst du dich nicht damit abfinden, dass aus Henni und mir kein Ehepaar werden wird? Ich wünschte, ich könnte ihr meine missliche Lage erklären, ihr anvertrauen, dass mein Herz bereits voll und ganz jemand anderem gehörte. Dass die warmen, fast mütterlichen Gefühle, die ich für ihren Bruder hegte, nichts waren im Vergleich zu dem lodernden Feuer, dass in mir brannte. Aber wie sollte das dieses kleine kindliche Geschöpf an meiner Seite verstehen? Wie sollte irgend jemand diese merkwürdige und befremdliche Liebe verstehen? Ich verstand mich ja selbst nicht. Nein, das Wissen darum musste für immer in mir eingeschlossen bleiben, wenn mir mein Leben und mein Platz am Hof sicher sein sollte. Als wir Hennis bevorzugten Aufenthaltsort hinter uns gelassen hatten, entspannte sich Nona merklich und wurde wieder zu meiner eifrig dahin plaudernden Freundin. Und auch ich nahm wieder lebhafter am Gespräch teil. Mit dem Versprechen mich beim Nachtmahl zu ihr zu gesellen, trennte ich mich schließlich von ihr, um meinen Streifzug durch die Enthüllungen der Bibliothek weiterzuführen.
Als ich angewidert von den beschriebenen Grobheiten beinahe aufgeben wollte, entdeckte ich endlich eine Geschichte, die mir auf den ersten Blick vielversprechend erschien. Sie handelte von einem Manne, der zwei Frauen liebte und sie sich schließlich auch beide – gemeinsam – ins Bett holte. Nicht ganz das, wonach ich gesucht hatte, aber es war das nächstliegende. Mit vor Aufregung klopfendem Herzen vertiefte ich mich in die Lektüre und war davon so gefangen, dass es fast Zeit fürs Abendmahl war, als ich Zeit und Raum um mich herum wieder wahrzunehmen bereit war. Ich schob das Buch so weit unter das nächstliegende Regal, dass es nur für den zu sehen war, der gezielt danach suchte. Dann eilte ich mit flinken Schritten in den Speisesaal.
Sofort entdeckte ich die eifrig winkende Nona im ungewöhnlich gut gefüllten Raum, die mir einen Platz an einem der hinteren Tische freigehalten hatte. Einen kleinen Moment war ich wie erstarrt, denn nicht weit von mir entfernt saß Hella, ungewohnt züchtig bekleidet und gelöst plaudernd. Als sie meiner ansichtig wurde, erstarrte auch sie für einen Moment und ich konnte eine tiefe Furche zwischen ihren Brauen ausmachen. Ihr Gesicht wirkte überrascht, mich zu sehen. Oder vielleicht auch überrascht, mich lebend und wohlauf zu sehen, klang da eine kleine hässliche Stimme in meinem Kopf. Übertrieben affektiert grinste ich sie an, bis sie sich heftig errötend abwandte,
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