Des Kaisers Gespielin (German Edition)
morgen würde ich mich den Blicken und den Fragen der anderen wieder stellen. Und mein Herz machte bei dem Gedanken daran einen kleinen freudigen Sprung. Ich hoffte, das war Ravenna nicht aufgefallen.
Estella empfing mich mit offenen Armen und freudigem Lachen.
„Schätzchen, du siehst wunderbar aus, wie das blühende Leben. Was so ein bisschen Krankheit doch alles ausrichten kann...“
Seine kundigen Finger strichen über mein Gesicht und fuhren dann prüfend durch meine Haare.
„Köstlich, einfach köstlich! Fast könnte Estella glauben, du glühst.“
Er beäugte argwöhnisch meine Beine und zog mich dann förmlich hinter sich her.
„Ach Kindchen, da haben wir ja einiges zu tun, man sieht dir die Wochen ohne Estella an.“
Vergnügt von so viel Leben ließ ich mich durch die Räume bugsieren und saugte die Geschäftigkeit um mich herum auf. Was war es schön, mal wieder ein ein wenig Leben um mich zu spüren! Ich schaute mich um. Es war tatsächlich nur ein ganz ganz wenig Leben. Es waren weitaus weniger Mädchen hier als an anderen Tagen, dieser Umstand war wohl der Abwesenheit des Kaisers geschuldet, aber es herrschte immer noch ein emsiges Treiben. Zuerst ließ ich mich in einer heißen Wanne gründlich durchweichen, bevor mir von einigen älteren Frauen die Haare entfernt wurden. So vertraut mir dieser Prozess auch mittlerweile war, so wurde ich doch wieder von seiner Schmerzhaftigkeit überrascht. Ich biss die Zähne zusammen und überstand die Behandlung schließlich fast ohne Schmerzenslaut. Das Frisieren meines Schamhaares übernahm dann wieder Estella persönlich.
Seine Augen zwinkerten mich verschwörerisch an: „Bist du sicher, dass ich nicht alles wegmachen soll?“
Ich schüttelte ablehnend meinen Kopf und schenkte ihm ein keckes Lächeln: „Nein danke, es hat mir ganz wunderbar gefallen, was du das letzte Mal gemacht hast. Wenigstens muss ich so nicht frieren...“
Estella lachte herzhaft und machte sich dann geduldig daran, mir ein hübsches Dreieck zu trimmen und das Löckchen in seiner Mitte kunstvoll zu drapieren. Dann wurde ich wieder in die Frisierecke gebracht, wo sich ein stilles Mädchen mit meinen Locken abmüht. Sie sah ernst aus und lächelte nicht und endlich sah ich auch, warum. Das arme Ding hatte beinahe keine Zähne mehr. Erleichtert strich ich mit der Zunge über meine eigene fast gerade Zahnreihe und dankte leise meiner Familie für die gute Hygiene, die man mir eingetrichtert hatte.
Mein Körper versteifte sich ein wenig, als Ravenna durch die Tür trat. Fast wollte ich aufspringen, aber sie hielt mich mit einer leichten Handbewegung davon ab. Kaum merklich schüttelte sie den Kopf und warf mir dabei ein verschwörerisches Zwinkern zu. Verwirrt lehnte ich mich wieder zurück. Warum war sie hier? Wir hatten abgemacht, dass wir den Tag getrennt voneinander verbringen würden. Ich hatte es mir so sehr gewünscht. Aber wenn ich es recht bedachte, dann kam es mir so vor, als hätte Ravenna dieses Eingeständnis nur zwischen zusammengebissenen Zähnen gegeben. Und jetzt war sie hier.
Mein Blick folgte ihr, als sie sich langsam und anmutig durch den Raum bewegte, die Hüften verheißungsvoll schwingend. Ohne einen Seitenblick zu mir strebte sie den Wannen zu und gab mir dann ein geheimes Lächeln. Langsam stieg sie auf ihren Kleidern, immer darauf bedacht genau in meinem Blickfeld zu stehen, und gab mir dabei ausreichend Gelegenheit sie genau zu betrachten.
Schlagartig überkam mich ein wohl bekanntes Gefühl und eine alte Erinnerung. Es war wie bei unserer ersten Begegnung, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Sie war wegen mir hier, um mich daran zu erinnern. Mein Herz begann bei der Erinnerung heftig zu schlagen und der Anblick, der sich mir hier bot, tat sein übriges. Ravenna, die geborene Verführerin, stieg betont langsam in die Wanne und zeigte mir dabei demonstrativ ihr rundes Hinterteil. Röte zog sich über mein Gesicht bei der Erinnerung daran, welche Freuden es mir bereits geschenkt hatte. Sollte ich jetzt verärgert sein, weil Ravenna unsere Abmachung so schamlos gebrochen hatte? Dass sie jetzt hier war, war ein Spiel, so viel wusste ich, eines das mir genau vor Augen führen soll, was wir aneinander hatten. Es war ein Spiel, in dem sie alle Trümpfe in der Hand hatte und in dem sie allein die Regeln bestimmte.
Ich beschloss, ihre Anwesenheit und ihre heimliche Aufführung als Kompliment zu nehmen und sie einfach zu genießen. Oft genug hatte ich
Weitere Kostenlose Bücher