Des Kaisers Gespielin
was ich tue.“
Und so konnte ich gar nicht anders, als ihr zu vertrauen und darauf zu hoffen, dass sie es nicht übertreiben würde.
Gleich am nächsten Tag intensivierte ich meine Bemühungen bei der Dame Dalia und erntete dafür ein anerkennendes Nicken, das überschwänglichste Lob, welches sie jemals an mich vergeben hatte. Die Meisterin überließ mir daraufhin bereitwillig den Zugang zu ihrer Liedersammlung. Nach anfänglichem Zögern entschied ich mich für einen Lobgesang auf die Heldentaten Seiner Majestät. Es war ein langes und kraftvolles Lied und ich dachte, dass ein wenig Schmeichelei meinen Aussichten nur zugute kommen konnte. Dalia hob nur fragend ihre Augenbraue angesichts meiner Wahl. In diesem Moment fragte ich mich, wie viel sie wohl ahnte von dem, was ich plante. Aber wenn sie mein Vorhaben missbilligte, so ließ sie es sich nicht anmerken. Wieder und wieder übte sie mit mir die Tonfolgen, bis ich diese so verinnerlicht hatte, dass ich sie ständig unbemerkt vor mich hinsummte. Danach arbeitete sie verstärkt an Kraft und Ausdruck meiner Stimme, die für ihren Geschmack immer noch zu dünn und leise daherkam. Aber selbst ich bemerkte bald eine Verbesserung in dieser Hinsicht und in dem Maße wie mein Stimmvolumen wuchs, tat dies auch mein Selbstbewusstsein. Oft vergaß ich, was wirklich von diesem einen Abend abhing, für mich, für Line, und freute mich einfach nur darüber, meine Fähigkeiten zu verbessern. Aber Abends, wenn die Welt um mich still geworden war und Ravenna friedlich in meinen Armen schlief, dann schlich sich doch immer wieder heimlich die Angst und Nervosität in meinen Kopf. Wie einfach war es doch die Realität zu vergessen, wenn sie viele Meilen weit entfernt war und der Zeitpunkt ihrer Rückkehr so fern schien wie der eigene Tod. Manchmal kam es mir so vor, als würde die Welt für immer so einfach bleiben.
22.
Und so traf es mich trotz aller Vorbereitung wie ein Schlag als nach Wochen des Friedens und der Ruhe endlich die Nachricht eintraf, dass der Kaiser zurückkehren würde.
„Wann?“, fragte ich Nona, nachdem sie mich in der Bibliothek ausfindig gemacht und mich eingeweiht hatte, und konnte dabei die Dringlichkeit in meiner Stimme kaum verbergen.
Nona sah mich unschuldig an und zuckte ihre Schultern.
„Ich weiß nicht. Bald!“
Ohne ein weiteres Wort stürmte ich hinaus. Ravenna konnte mir helfen, Ravenna wusste alles, was im Palast vor sich ging. An ihrem schwermütigen Gesicht konnte ich ablesen, dass sie die Nachricht bereits erhalten hatte.
Mit ausgebreiteten Armen kam sie auf mich zu: „Oh Lila. Du hast es also gehört....“
„Wann?“, fragte ich auch sie und meine Stimme bebte.
Ravenna zögerte einen Augenblick bevor sie leise antwortete: „Schon morgen!“
Morgen also. Morgen würde mein Leben eine Wendung nehmen, die ich so nicht vorhergesehen hatte. Wenn ich denn Erfolg haben würde. Und wenn nicht? Darüber wollte ich lieber nicht nachdenken.
Meine Knie sackten unter meinem Gewicht zusammen und Ravenna half mir auf den nächstgelegenen Stuhl. Wie ein Häufchen Elend saß ich so zusammengesunken und versuchte verzweifelt die Gedanken in meinem Kopf zu ordnen. Es dauerte eine Weile bis ich Ravenna wieder wahrnahm, die in meinem Gesicht zu lesen versuchte.
„Morgen schon? Es ist noch zu früh!“, krächzte ich.
Ravenna schüttelte ihren Kopf und fasste mich bei den Schultern, so dass ich ihr in die Augen schauen musste: „Es ist nicht zu früh. Es ist, was es ist. Früher oder später musste dieser Augenblick ja kommen.“
Später klang in meinen Ohren einfach wundervoll.
„So lange hast du dich vorbereitet... es ist an der Zeit zu zeigen, was du gelernt hast...“
Ich war mir der Zweideutigkeit ihrer Aussage schmerzlich bewusst.
„Kann ich mein Kostüm sehen?“, fragte ich schwach, erntete dafür jedoch nur ein entschiedenes Kopfschütteln.
„Morgen!“, vertröstete mich Ravenna. „Du solltest jetzt zu Estella gehen. Wenn die Mädchen erst erfahren, dass morgen Seine Hoheit zurückkehrt, dann wird es dort voll. Die meisten haben ihre Pflege... etwas schleifen lassen.“
Sie grinste mich aufheiternd an und fuhr mir leicht durch meine stoppeligen Achseln.
Es war mir tatsächlich schon mehrmals aufgefallen, wie leer es oft in den Behandlungsräumen war. Jedenfalls die wenigen Male, die ich Estella seit des Kaisers Abreise aufgesucht hatte, dachte ich beschämt. Also verbrachte ich den restlichen Nachmittag damit, mich zu
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