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Des Kaisers Gespielin

Des Kaisers Gespielin

Titel: Des Kaisers Gespielin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Hofmann
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forderte sie mich auf.
    Was könnte ich ihr schon Interessantes erzählen, dachte ich unsicher, aber ehe ich mich versah, begann ich schon wie von selbst zu sprechen. Von meiner Familie, von Elli, von unserem hübschen Haus im Grünen erzählte ich. Und weil Ravenna so eine gute und geduldige Zuhörerin war, sprudelte es bald nur so aus mir heraus. Wie wir unser Geld eingebüßt hatten, wie wir in Folge immer weniger mit der Außenwelt Kontakt haben durften, wie einsam wir plötzlich waren, ohne Diener, ohne Lehrer, ohne Gäste. Und wie ich in der Folge an den Kaiser geschickt wurde. Und weil es so leicht war zu sprechen, wenn niemand peinlich berührt zu Boden schaute oder sich in übertriebenen Ausrufen des Mitleid ergoss, hörte ich gar nicht wieder auf. Ravenna saß unterdessen still wie eine Statue und ich hätte nicht sagen können, ob sie mich hörte oder mit ihren Gedanken ganz weit fort war. Aber es machte mir nichts aus. Sogar von Line und Pen erzählte ich ihr, von ihrer Liebe und ihrer Hoffnungslosigkeit, jemals heiraten zu können, weil Pens Familie eben auch nichts als ihren Hof besaß. Ravenna schwieg verständnisvoll und als ich meine Erzählung beendet hatte, da griff sie sich meine Hand und drückte sie kurz. Nicht mehr als das. Nur eine kleine Geste des Trostes, aber sie bedeutete mir mehr, als alles was sie jemals hätte sagen können. Ich fühlte mich seltsam befreit nach meinem Monolog und meine geschickten Finger steckten die letzten Blüten in ihr Haar. Zufrieden betrachtete ich meine Arbeit. Als sie sich vor mir hin und her drehte, nahm es mir den Atem wie hübsch Ravenna gerade aussah.
    „Und jetzt du!“, ertönte es da freudig aus ihrem Mund.
    Verlegen wollte ich meinen Kopf schütteln, doch da stand sie schon hinter mir und drückte mich an den Schultern nach unten auf die Wiese. Es fiel mir schwer dieser Frau zu widersprechen und ein wenig ahnte ich auch, dass es Anderen ebenfalls so gehen musste. Sie wusste, was sie wollte. Und sie würde es immer bekommen. Eine Aura von Bestimmtheit und Überlegenheit umgab Ravenna, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte. Nicht einmal beim Kaiser selbst.
    Ergeben ließ ich mich nieder gleiten, übergab mich ihrer Führung. Ihre flinken Hände lösten mein Haar, das ich wie gestern auch schon im Nacken zu einer Schnecke gerollt hatte.
    „Oh Lila!“, hörte ich einen entzückten Aufschrei. „Du hast so schönes langes Haar, ich hatte keine Ahnung. Warum versteckst du es nur in diesem furchtbaren Knoten?“
    „Mir wurde gesagt, dem Kaiser gefalle überlanges Haar nicht.“, erwiderte ich verlegen.
    „Ach, hör doch nicht auf die Leute. Ich wette, das war diese dumme Gans von Aufseherin. Glaub mir, es wäre schade darum, wenn du es versteckst.“
    Versonnen bürstete sie meine Haare vom Ansatz bis zu den Spitzen mit Hilfe ihrer Finger. Kleine Blitze durchzuckten mich immer dann, wenn ihre Fingerspitzen meine Haut berührten. Ich ergab mich ihren sanften Berührungen und schloss meine Augen. Langsam und leise begann auch sie zu erzählen und nun war es an mir, still und leise zuzuhören, als wäre ich gar nicht da. Ihre Geschichte glich meiner verblüffend, bis auf den Umstand dass sie keine Geschwister vorzuweisen hatte. Aber die distanzierten Eltern, die Ärmlichkeit, die Berufung an des Kaisers Hof aus Not statt aus Überzeugung. Ich fragte mich unwillkürlich, was wir noch gemeinsam hatten.
    Ich war erstaunt, als sie gestand schon seit zehn Jahren innerhalb der Palastmauern zu weilen. Sie musste damals so furchtbar jung gewesen sein! Sie wirkte so viel reifer als ich, obwohl sie nicht viel älter sein konnte, dachte ich bedrückt. Ob das wohl mit ihrer Erfahrung zusammen hing?
    Ich traute mich nicht sie direkt nach dem Kaiser zu fragen, obwohl mich die Neugier beinahe überwältigte, aber Ravenna lenkte ihre Erzählung selbst darauf.
    „Ich war noch nie ein sonderlich lebhaftes Kind. Aber hier bei Hofe war ich dann noch stiller und ernsthafter als gewöhnlich. Es war fast unmöglich für mich einfach unbeschwert eine Unterhaltung mit den anderen Mädchen zu führen, das hat mich sehr einsam gemacht. Meine damalige Zimmergenossin Dina war zu jener Zeit schon lange die Favoritin Seiner Majestät und sie hatte meine Not erkannt. Sie meinte immer, entweder man fühlt sich in dieser Umgebung wohl, oder man muss daran arbeiten, sich eine andere zu schaffen. Dina... sie war eine entschlossene Frau, weißt du? Und weil sie schon älter war und es für

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