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Des Lebens Überfluß

Des Lebens Überfluß

Titel: Des Lebens Überfluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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sie den Gemahl nicht an ihrer Seite fand. Wie aber erstaunte sie erst, als sie ein lautes, kreischendes Geräusch vernahm, das so klang, wie wenn eine Säge hartes, widerspenstiges Holz zerschneidet. Schnell kleidete sie sich an, um dem sonderbaren Ereignis auf den Grund zu kommen. Mein Heinrich, rief sie eintretend, was machst du da? Ich zersäge das Holz für unsern Ofen, versetzte er keuchend, indem er von der Arbeit aufsah und der Frau ein ganz rotes Gesicht entgegenhielt.
    Erst sage mir nur, wie in aller Welt du zu der Säge kommst, und gar zu dem ungeheuern Block dieses schönen Holzes? Du weißt, sagte Heinrich, wie vier, fünf Stufen zu einem kleinen Boden von hier führen, der leer steht. Nun, in einem Verschlage sah ich neulich, durch das Schlüsselloch guckend, eine Holzsäge und ein Beil, die wohl dem alten Hauswirt, oder wer weiß wem sonst gehören mögen. Man achtet auf den Gang der Weltgeschichte, und so merkte ich mir diese Utensilien. Heut Morgen nun, als du noch so angenehm schliefst, ging ich in stockdichter Finsternis dort hinauf, sprengte die dünne, elende Tür, die kaum mit einem kleinen, jämmerlichen Riegel versperrt war, und holte mir diese beiden Mordinstrumente herunter. Nun aber, da ich die Gelegenheit unsers Hauses ganz genau kenne, hob ich dieses lange, dicke, gewichtige Geländer unsrer Treppe, nicht ohne Mühe und Anstrengung und mit Hilfe des Beiles, aus seinen Fugen und brachte den langen und schweren Balken, der unsre ganze Stube ausfüllt, hierher. Sieh nur, geliebte Clara, welche soliden, trefflichen Menschen unsre Vorfahren waren. Betrachte diese eichene Masse vom allerschönsten und körnigsten Holze, so glatt poliert und gefirnißt. Das wird uns ein ganz andres Feuer geben, als unser bisheriges elendes Kiefern- und Weidengeflecht.
    Aber, Heinrich, rief Clara und schlug die Hände zusammen – das Haus verderben!
    Kein Mensch kommt zu uns, sagte Heinrich, wir kennen unsre Treppe und gehen selber nicht einmal auf und ab, also ist sie höchstens für unsre alte Christine da, die sich doch unendlich verwundern würde, wenn man zu ihr sagen wollte: Sieh, altes Kind, es soll einer der schönsten Eichenstämme im ganzen Forst, mannsdick, gefällt werden, vom Zimmermann und nachher vom Tischler kunstreich bearbeitet, damit du, Alte, die Stufen hinaufgehend, dich auf diesen herrlichen Eichenstamm stützen kannst. Sie müßte ja laut auflachen, die Christine. Nein, ein solches Treppengeländer ist wieder eine von des Lebens ganz unnützen Überflüssigkeiten; der Wald ist zu uns gekommen, da er gemerkt hat, daß wir ihn so höchst notwendig brauchten. Ich bin ein Zauberer; nur einige Hiebe mit diesem magischen Beil, und es ergab sich dieser herrliche Stamm in meine Macht. Das kommt Alles von der Zivilisation; hätte man hier immer, wie in vielen alten Hütten, an einem Strick oder an einem Stück Eisen, wie in Palästen, sich hinaufhelfen müssen, so konnte diese meine Spekulation nicht eintreten, und ich hätte andre Hilfsmittel suchen und erfinden müssen.
    Als Clara ihr Erstaunen überwunden hatte, mußte sie laut und heftig lachen; dann sagte sie: Da es aber einmal geschehen ist, so will ich dir wenigstens bei deiner Holzhauerarbeit helfen, sowie ich es ehemals oft auf den Straßen gesehen habe.
    Man legte den Baum auf zwei Stühle, die an den Enden des Zimmers standen, weil es seine Länge so erforderte. Nun sägten Beide, um den Zwischenraum zu vermindern, den Block in der Mitte durch. Es war mühsam, da Beide des Handwerks nicht gewohnt waren, und das harte Holz den Zähnen der Säge widerstand. Lachend und Schweiß vergießend, konnten die Beiden nur langsam in dem Geschäft vorschreiten. Endlich brach der Balken unter den letzten Schnitten. Nun ruhte man und trocknete den Schweiß. Das hat noch den Vorteil, sagte Clara dann, daß wir nun für's Erste noch nicht einzuheizen brauchen. Sie vergaßen, sich das Frühstück zu bereiten, und arbeiteten so den ganzen Vormittag, bis sie den Baum in so viele Teile zerlegt hatten, als nötig war, um diese spalten zu können.
    Welch ein Künstleratelier ist plötzlich aus unserm einsamen Zimmer geworden, sagte Heinrich in einer Pause. Jener ungeschlachte Baum, dort in der Finsternis liegend, von keinem Auge bemerkt, ist nun bereits in diese zierlichen Kubusklötze verwandelt, die jetzt, nach einiger Überredung und Kunstgeschliffenheit vermöge dieses Beiles feuerfähig gemacht und in den Stand gebracht werden, die Flammen der

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