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Des Lebens Überfluß

Des Lebens Überfluß

Titel: Des Lebens Überfluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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mehr. Nun waren wir schon weit über hunderttausend Taler, Du nicktest mir immer freundlich über den Tisch zu, und da ich mich im Besitz des mächtigen Kapitals befand, brachte ich durch Hinauftreiben alle meine Nebenbuhler zur Verzweiflung. So setzte ich es hohnlachend und mit Übermut durch. Alle verstummten endlich in Verdruß und Du wurdest mir zugeschlagen. Ich triumphierte. Ich zahlte die Summe hin – aber – o weh! ich hatte im Taumel nicht beachtet, wie viel ich für mich selbst gewonnen hatte, und jetzt fehlten beim Auszahlen noch viele Tausende. Meine Verzweiflung diente den Andern nur zum Spott. Du rangst die Hände. So wurden wir in ein dunkles Gefängnis geschleppt und mit schweren Ketten belastet. Wir erhielten zur Nahrung nur Wasser und Brot, und ich mußte darüber lachen, daß das eine Strafe vorstellen sollte, da wir schon ziemlich lange hier oben nicht mehr genossen hatten und diese Speisung für ein Festmahl hielten. So verwirrt sich im Traume Alles durcheinander, frühere Zeit und gegenwärtige, Nähe und Ferne. Der Kerkermeister erzählte uns, daß die Richter uns zum Tode verdammt; denn wir hätten hinterlistig das königliche Ärar und die öffentlichen Einkünfte defraudiert, das Vertrauen des Publikums betrogen und den Kredit des Staates untergraben. Es sei ein furchtbarer Betrug, sich zu teuer auszubieten und sich mit solchen großen Summen bezahlen zu lassen, die dadurch der Konkurrenz und dem allgemeinen Nutzen entzogen würden. Dem Patriotismus, wo jedes Individuum sich unbedingt dem Ganzen opfern müsse, laufe es geradezu entgegen, und unser Attentat sei also als offenbarer Hochverrat zu betrachten. Der alte Auktionator werde mit uns zugleich hingerichtet werden, denn er sei mit im Komplott und habe auch dazu beigetragen, die Summen der Bietenden so hoch hinaufzutreiben, weil er uns Beide übermäßig und ganz der Wahrheit entgegen den Kauflustigen als Wunderwerke der Schöpfung herausgestrichen habe. Es sei nun Alles entdeckt, daß wir mit den auswärtigen Mächten und den Feinden des Landes verbunden einen allgemeinen Staatsbankrott hätten herbeiführen wollen. Denn es sei augenscheinlich, wenn auf den Einzelnen, der obendrein keine Verdienste besitze, so ungeheuere Summen verwendet werden sollten, so bleibe nichts für das Ministerium, die Schulen und Universitäten, und selbst für Zucht- und Armenhäuser übrig. Gleich nachdem wir fortgegangen, hätten sich zehn Edelleute und fünfzehn angesehene Fräulein verauktionieren lassen, und die Gelder seien ebenfalls dem Staatsschatz und den Einkünften entzogen worden. Aller moralische Wert ginge bei so bösen verderblichen Beispielen unter und die Schätzung der Tugend verschwinde, wenn Individuen so taxiert und übermäßig hoch geschätzt würden. Das Alles kam mir ganz vernünftig vor, und ich bereute es jetzt, daß durch mein Verschulden diese Verwirrung habe entstehen können.
    Als wir zur Hinrichtung hinausgeführt wurden – erwachte ich und befand mich in Deinen Armen. –
    Nachdenklich ist die Geschichte in der Tat, antwortete Clara; sie ist, nur in ein etwas grelles Licht gestellt, die Geschichte vieler Menschen, die sich alle so teuer wie möglich verkaufen. Diese wunderliche Auktion geht freilich durch die Einrichtung aller Staaten.
    Nachdenklich ist dieser dumme Traum auch mir, erwiderte Heinrich; denn die Welt hat mich und ich habe die Welt in dem Grade verlassen, daß kein Mensch meinen Wert mit irgend einer namhaften Summe würde taxieren wollen. Mein Kredit in dieser ganzen großen Stadt erstreckt sich nicht auf einen Groschen; ich bin ganz ausdrücklich das, was die Welt einen Lumpen nennt. Und doch liebst Du mich, Du kostbares, herrliches Wesen! Und wenn ich wieder bedenke, wie die teuerste und künstlichste Spinnmaschine nur grob und roh eingerichtet ist gegen das Wunder meines Blutumlaufes, der Nerven, des Gehirnes, und wie dieser Schädel, der, wie die Meisten glauben, seinen Unterhalt nicht wert ist, große, edle Gedanken fassen kann, vielleicht auf eine neue Erfindung stößt, so möchte ich darüber lachen, daß Millionen diese Organisation nicht aufwägen, die auch der Klügste und Stolzeste nicht hervorzubringen im Stande ist. Wenn unsre Köpfe aneinanderrücken, die Schädel sich berühren und die Lippen sich aufeinanderpressen, um einen Kuß entstehen zu lassen, so ist es fast unbegreiflich, welche künstlich verflochtene Mechanik dazu gehört, welche Überwindung von Schwierigkeiten, und wie nun diese

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