Des Lebens Überfluß
denke Dich auch so in der Zucht zu halten, daß Du nie auf dergleichen Laster geraten sollst. Nun aber weiter in Deinem Traum!
Ich hatte mich denn auch, fuhr Heinrich fort, nicht ohne Not vor dieser Auktion geängstigt, denn wie es im Traum zu gehen pflegt, war ich plötzlich in dem Saal der Versteigerung, und wie ich zu meinem Erschrecken sah, gehörte ich zu den Sachen, die öffentlich ausgeboten werden sollten.
Clara lachte wieder. O, das ist hübsch, rief sie aus. Das wäre ein ganz neues Mittel, unter die Leute zu kommen.
Ich fand es gar nicht erfreulich, antwortete der Mann. Es lagen und standen da allerhand alte Sachen und Möbeln umher, dazwischen saßen alte Weiber, Tagediebe, elende Schriftsteller, Libellisten, verdorbene Studenten und Komödianten: Alles dies sollte nun heut dem Meistbietenden zugeschlagen werden, und ich war mitten unter diesen verstäubten Altertümlichkeiten. Im Saale saßen manche von meinen Bekannten und einige von diesen betrachteten die ausgestellten Sachen und Menschen mit Kennerblicken. Ich war unendlich beschämt. Endlich kam der Auktionator, und ich erschrak, als wenn ich zur Hinrichtung geführt würde.
Der ernsthafte Mann setzte sich, räusperte und begann sein Amt damit, daß er zuerst nach mir griff, um mich auszubieten. Er stellte mich vor sich hin und sagte: Sehn meine Herrschaften hier einen noch ziemlich gut konservierten Diplomaten, etwas eingeschrumpft und abgerissen, von Würmern und Motten hier und da zernagt, aber doch noch brauchbar als Kaminschirm, um gegen zu große Flamme und Hitze zu schützen und abzukühlen, oder um ihn als Karyatide zu nutzen und ihm etwa eine Uhr auf den Kopf zu stellen. Auch kann man ihn vor das Fenster hängen, daß er die Witterung anzeigt. Es ist ihm selbst noch ein klein wenig Verstand geblieben, so daß er auf alltägliche Dinge, wenn die Frage nicht zu tief geht, ganz leidlich antworten und darüber sprechen kann. Wie hoch wollen Sie auf ihn bieten?
Keine Antwort im Saal. Der Auktionator rief: Nun, meine Herren und Damen? Er kann ja in einem Gesandtschaftslokal noch Türsteher werden; er könnte ja als Kronleuchter in der Entrée angehangen werden und die Kerzen mit Armen, Beinen und auf dem Kopfe tragen. Es ist ja ein lieber anstelliger Mensch. Wenn eine Herrschaft eine Hausorgel besitzen sollte, kann er auch die Balgen treten; seine Beine, wie Sie sehen, sind ja noch von leidlicher Beschaffenheit. – Aber immer keine Antwort. – Ich fühlte mich im Zustand der tiefsten Erniedrigung und meine Beschämung war ohne Grenzen; denn manche meiner Bekannten sahen grinsend und schadenfroh nach mir. Manche lachten, Andre zuckten die Schultern, wie in tief verachtendem Mitleid. Mein Bedienter kam jetzt zur Tür herein und ich trat einen Schritt vor, um ihm einen Auftrag zu geben, aber der Auktionator stieß mich heftig mit den Worten zurück: Still, altes Möbel! Kennt er die Pflichten seines Standes so wenig? Hier ist seine Bestimmung, sich ruhig zu halten. Das wäre mir, wenn die Auktionsstücke selbstständig werden wollten! – Wieder auf eine neue Anfrage antwortete Niemand. – Der Lump ist nichts wert, hörte man aus einem Winkel; wer wird auf den Taugenichts etwas bieten? sagte ein Andrer. Mir trat der Angstschweiß auf die Stirn. Ich winkte meinem Bedienten mit den Augen, daß er eine Kleinigkeit bieten möchte; denn, so dachte ich ganz vernünftig, hat mich der Mensch nur erst erstanden, und ich bin aus dem verfluchten Saal, so werde ich mich draußen schon mit meinem Diener abfinden, da wir uns kennen; ich will ihm seine Auslage wiedererstatten und ein Trinkgeld noch obendrein verabreichen. Der mochte aber kein Geld bei sich haben oder mein Winken nicht verstehen, vielleicht, daß ihm diese ganze Anstalt unbekannt und unbegreiflich war; genug, er rührte sich nicht von seinem Platze. Der Auktionator war verdrießlich, er winkte seinem Gehülfen und sagte zu diesem: Holt mir Nummer 2, 3, und 4 aus der Kammer. Der starke Mensch brachte drei zerlumpte Kerle und der Ausrufer sprach: Da man auf diesen Diplomaten gar nichts bieten will, so vereinigen wir ihn mit diesen drei Tagesschriftstellern, einem abgestandenen Redakteur eines Wochenblatts, Einem, der Korrespondenzartikel schrieb, und diesem Theaterkritiker – was wird nun für diese Bande zusammengenommen geboten?
Ein alter Trödler rief, nachdem er eine Weile die Hand an die Stirn gelegt hatte: Einen Groschen! Der Auktionator fragte: Einen Groschen also? Niemand mehr?
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