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Des Lebens Überfluß

Des Lebens Überfluß

Titel: Des Lebens Überfluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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Verleugnung hineinzuleuchten, um dem Sinn des Unbegabten, der keine Glaubensfähigkeit besitzt, das fromme Gewebe als nüchternen Trug hinzustellen, oder den Schwachen in seinen besten Gefühlen irre zu machen. Es könnte unbegreiflich scheinen, wie allenthalben in unsern Tagen der Sinn für ein großes Ganze, für das Unteilbare, welches nur durch göttlichen Einfluß entstehen konnte, sich verloren hat. Immer wird, wie in Gedichten, Kunstwerken, Geschichte, Natur und Offenbarung nur Dies und Jenes, nur das Einzelne, bewundert und gelobt; schärfer noch das Einzelne getadelt, was im großen Ganzen, wenn es ein Kunstwerk ist, doch nur so sein kann, wie es ist, wenn jenes Gelobte möglich sein soll. Sucht und Kraft zu vernichten ist aber gradezu der Gegensatz alles Talentes und wird endlich zur Unfähigkeit, irgend die Erscheinung in ihrer Fülle zu verstehen. Immer »Nein« sprechen, ist gar nicht sprechen.

So vergingen den Vereinsamten, Verarmten und doch Glücklichen Tage und Wochen. Die dürftigste Nahrung fristete ihr Leben, aber im Bewußtsein ihrer Liebe war keine Entbehrung, auch der drückendste Mangel nicht fähig, ihre Zufriedenheit zu stören. Um in diesem Zustande fortzuleben, war aber der sonderbare Leichtsinn dieser beiden Menschen notwendig, die Alles über der Gegenwart und dem Augenblick vergessen konnten. Der Mann stand jetzt immer früher auf als Clara; dann hörte sie ihn hämmern und sägen, und fand die Stücke Holz vor dem Ofen zurecht gelegt, welche sie zum Einheizen brauchte. Sie verwunderte sich, daß dieses gespellte Holz seit einiger Zeit eine ganz andre Form, Farbe und andres Wesen hatte, als sie es bis dahin gewohnt war. Da sie indessen immer Vorrat fand, so unterließ sie jede Betrachtung, indem die Gespräche, Scherze und Erzählungen beim sogenannten Frühstück ihr viel wichtiger waren.
    Die Tage werden schon länger, fing er an; bald wird nun die Frühlingssonne auf das Dach da drüben scheinen.
    Ja wohl, sagte sie, und die Zeit wird nicht mehr fern sein, wo wir das Fenster wieder aufmachen, uns daran setzen und die frische Luft einatmen. Das war im vorigen Sommer gar so schön, als wir vom Park draußen sogar hier den Duft der Lindenblüte spürten.
    Sie holte zwei kleine Töpfchen herbei, die mit Erde gefüllt waren und in welchen sie Blumen aufzog. Sieh! fuhr sie fort, diese Hyazinthe und diese Tulpe kommen nun doch heraus, die wir schon verloren gaben. Wenn sie gedeihen, so will ich es als ein Orakel ansehen, daß sich auch unser Schicksal bald wiederum zum Bessern kehren wird.
    Aber, Liebchen, sagte er etwas empfindlich, was geht uns denn ab? Haben wir nicht bis jetzt noch Überfluß an Feuer, Brot und Wasser? Das Wetter wird augenscheinlich milder, wir werden des Holzes weniger bedürfen, nachher kommt die Sommerwärme. Zu verkaufen haben wir freilich nichts mehr, aber es wird, es muß sich irgend ein Weg auftun, auf welchem ich etwas verdienen kann. Bedenke nur unser Glück, daß Keines von uns krank geworden ist, auch die alte Christine nicht.
    Wer steht uns aber für diese getreuste Dienerin? antwortete Clara; ich habe sie nun seit so lange nicht gesehen; Du fertigst sie jetzt immer des Morgens schon früh ab, wenn ich noch schlafe; Du nimmst dann von ihr das eingekaufte Brot, sowie den Wasserkrug. Ich weiß, daß sie oft für andre Familien arbeitet; alt ist sie, ihre Nahrung nur eine dürftige, wenn also ihre Schwäche zunimmt, so kann sie leicht erkranken. Warum ist sie nicht schon längst wieder einmal zu uns heraufgekommen?
    Je nun, sagte Heinrich nicht ohne einige Verlegenheit, welche Clara auch bemerkte und die ihr auffallen mußte, es wird sich wohl bald wieder eine Gelegenheit finden, warte nur noch einige Zeit.
    Nein, Liebster! rief sie mit ihrer Lebhaftigkeit aus, Du willst mir etwas verbergen, es muß etwas vorgefallen sein. Du sollst mich nicht abhalten, ich will gleich selbst hinuntergehen, ob sie etwa in ihrem Kämmerchen ist, ob sie leidet, ob sie unzufrieden mit uns sein mag.
    Du hast diese fatale Treppe schon seit so lange nicht betreten, sagte Heinrich; es ist finster draußen, Du könntest fallen.
    Nein, rief sie, Du sollst mich nicht zurückhalten; die Treppe kenne ich; ich werde mich in der Finsternis schon zurechtfinden.
    Da wir aber das Geländer verbraucht haben, sagte Heinrich, welches mir damals als ein Überfluß erschien, so fürchte ich jetzt, da Du Dich nicht anhalten kannst, daß Du stolpern und stürzen könntest.
    Die Stufen, erwiderte

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