Des Sieges bittere Tränen
trete ihn Ihnen für ein paar Sekunden ab!«
»Angela!« Hartung versuchte, Eves Arme von seinem Nacken zu lösen. Aber je mehr er zerrte, um so fester umschlangen sie ihn, zogen seinen Kopf zu ihr hinunter. Er sah ihr ins Gesicht und erschrak. Die braungrünlichen Augen funkelten wie bei einem Raubtier.
Plötzlich ließ sie ihn los und stieß ihn so heftig zurück, daß er gegen Angela taumelte. Mit einem wilden Kopfschwung warf sie die roten Haare nach hinten.
»Von Ihnen soll ich mir etwas schenken lassen?« sagte sie hart. »Und wer sind Sie denn, Horst Hartung? Ein Mann, der auf einem Pferd sitzt. Der ein paar Schenkeldrücke beherrscht und die Beine zusammenkneift, wenn es über ein Hindernis geht. Das ist Ihr ganzer Ruhm! Zum Lachen ist das! Sie und dieses deutsche Gretchen da« – sie zeigte wütend auf Angela – »Sie passen zusammen.« An der Tür der Veranda erschien Kapitän McClean, vom Ersten Offizier alarmiert.
»Gehen Sie schnell zum Oberdeck, Sir«, hatte er ihm zugeflüstert. »Der Rummel geht los. Die Weiber zerfleischen sich wegen Hartung.«
»Kapitän!« rief Eve Walkering. »Ihren Schutz! Ich bin beleidigt worden.«
Kapitän McClean nahm schweigend den Arm Eves und führte sie zurück in den Saal. Beim Weggehen warf er einen eindeutigen, entschuldigenden Blick zu Hartung zurück, der stumm den Kopf schüttelte.
Wir verstehen uns, besagte dieser Blick. Aber sie kann ihre Hysterie mit Millionen zudecken. Das ist ein vorzügliches Pflaster.
Von diesem Abend an sah man Eve Walkering nur noch selten an der Kapitäns-Tafel. Meist ließ sie sich das Essen in ihrer Kabine servieren. Die herrlichen, sonnigen, von einem märchenhaften Blau überspannten Tage verbrachte sie in ihrem Liegestuhl und unter einem Sonnenschirm in einer Ecke des Oberdecks, wo sie der Steward Joshua Dunham, genannt ›Blacky‹, ein Neger aus Alabama, rührend bediente, als sei er Eves Mammi, Blacky war es auch, der nachts manchmal für alle Passagiere mit tiefer, rollender Stimme die Lieder seiner Heimat sang. Sehnsüchtige Liebeserklärungen an den Mississippi und die Baumwollfelder.
»Wer hätte das gedacht«, sagte Dr. Rölle konsterniert nach dem Streit auf Deck. »Das Weib hat ja zwei Seelen.«
»Welche Weisheit.« Hartung lächelte sarkastisch. »Nennen Sie mir eine Frau, die nicht zwei Seelen hat.«
»Sie haben's nötig.« Dr. Rölle sog hastig an seiner Zigarette. »Ich stand bis heute in Flammen. Wer löscht mich nun?«
Hartung lachte und zeigte auf den Swimming-pool. Aber es war ein gekünsteltes Lachen. Noch lagen fast zwei Wochen gemeinsamer Fahrt vor ihnen. Und ein Schiff, allein auf hoher See, ist eine kleine Welt für sich.
Vierzehn Tage Meer. Vierzehn Tage leichtes Wiegen und Stampfen der Maschinen. Vierzehn Tage eine blaugoldene Unendlichkeit. Ein Verschmelzen von Himmel und Erde. Die ›Seemaid‹ durchfurchte den Ozean ohne Sturm, Regen und Gewitter. Es waren einmalig strahlende Tage.
Die Reiter arbeiteten wie bisher. Morgens Lockerungsübungen, nachmittags kleine Reitübungen. Die meiste Zeit aber standen die Pferde in ihren Boxen. Sie hatten sich an das Meer und an das leichte Schlingern des Schiffes gewöhnt. Sogar Laska legte die Ohren nicht mehr an, wenn sie auf das Deck geführt wurde. Romanowskis Kampf gegen die Seekrankheit war vorüber – er wunderte sich seit drei Tagen selbst, daß er nicht mehr über der Reling hing. »Det kommt davon, dat ick keenen Majen mehr habe«, erklärte er jedem. »Ick hab'n ausjekotzt. Bestimmt!«
An dem Nachmittag des sechzehnten Tages trafen der Steward Blacky und der chinesische Koch Hu-shai bei Laskas Box zusammen. Hu-shai saß vor dem provisorischen Stall und kochte auf einem Spirituskocher einen stinkenden gelben Brei.
»Was soll denn das?« fragte Joshua Dunham verblüfft.
»Pfeld sein klank!« antwortete Hu-shai. Chinesen können bekanntlich kein ›R‹ sprechen, zuerst verstand niemand an Bord den kleinen, dicken Koch, aber später gewöhnte man sich daran und erriet, was er sagte. »Ich koche Blei.«
»Ein schöner Gestank, dein Brei.« Blacky sah sich um. »Weiß das Mr. Hartung?«
»Nein.«
»Pedro?«
»Auch Pedlo nicht. Aber Pfeld hat lechte dicke Bein. Am Knöchel. Da hilft alte Lezept von Oma. Ich gloße Pferleliebhabel.«
»Sofort hörst du auf!« Blacky wollte nach dem Topf greifen, aber Hu-shai drehte sich schnell um. »Mit einem Kocher bei den Ställen! Bist du verrückt? Soll das ganze Schiff brennen? Weg mit dir!«
»Du
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