Des Sieges bittere Tränen
unten!«
Die Abende und Nächte waren wie Samt. Dunkelblauer Samt, mit Sternen bestickt. Warmer Samt, in den man sich einhüllen konnte und träumen. Nach dem Essen spielte eine Dreimann-Band aus Matrosen. Sie waren keine Profis, aber sie hatten Schwung, ein modernes Repertoire, machten auf Show-Band mit wechselnden Kostümen und sorgten jedenfalls für Stimmung im Speisesaal. Da an Bord nur sechs Frauen waren, ging es streng der Reihe nach, wer mit wem tanzen durfte, sogar die alte Mrs. Zukerman wurde zum Walzer und Slowfox geholt, was ihr jedesmal einen leisen Aufschrei entlockte. Nach einem solchen Abend rief sie den Schiffsarzt in ihre Kabine und ließ sich eine Schlafspritze geben, so aufgeregt und beschwingt war sie plötzlich.
Unmerklich drängte sich die Katastrophe in diese lauen, samtigen Nächte hinein. Hartung tanzte nur mit Angela und den anderen Damen, seinen Pflichttanz mit Eve Walkering absolvierte er wie in der Tanzstunde. Aber am zehnten Abend ging Eve zum Angriff über. Während sie zusammen im Hintergrund des Speisesaales einen langsamen Walzer tanzten, spürte Hartung plötzlich, wie sie die Führung übernehmen wollte.
»Nanu?« sagte er. »Tanzen wir seitenverkehrt?«
»Ordnen Sie sich einmal unter«, entgegnete sie leise.
»Wenn das Ihr Wunsch ist.«
Er gab nach, ließ sie beim Tanz führen und sah, daß sie mit ihm aus dem Saal tanzte, hinaus auf die gedeckte Veranda und von dort auf das Oberdeck. Hier war die Musik so leise, daß sie ihn lächelnd losließ und sich gegen die Reling lehnte. Ihr Kleid war tief ausgeschnitten und zeigte den Brustansatz. Darüber flossen ihre roten Haare.
»Sie wird Gift und Galle spucken«, sagte sie.
»Wer?«
»Ihre Braut. Diese Eifersucht ist dumm. Man sagt, ein großer Künstler gehört nie einem Menschen allein, er gehört der ganzen Welt. Sie sind auch ein Künstler, der größte vielleicht – ein Künstler auf dem Pferderücken. Sie gehören ebenfalls der ganzen Welt, und damit eigentlich auch mir. Ist das logisch?«
»Weibliche Logik.«
»Die beste Logik.«
Sie warf den Kopf zurück und blickte in den Sternenhimmel. Ihre Brüste strafften sich. Hartung blickte sich schnell um. Sie waren allein, Angela war ihnen nicht gefolgt.
»Sie lieben das Abenteuer?« fragte er.
»Sie nicht?«
Hartung holte ein Zigarettenetui aus der Tasche und hielt es ihr hin. Eve nahm eine Zigarette, rauchte sie an und warf sie dann über die Schulter ins Meer. Dabei lachte sie – ihr helles, hartes Lachen, hinter dem Gefahr lauerte.
»Sie haben in Ihrem Leben alles bekommen, was Sie wollten, nicht wahr?« fragte Hartung. »Kleider, Pelze, Autos, Häuser, Tiere und Menschen.«
»Ja. Ich bin Abraham Walkerings einzige Tochter. Zum fünfundzwanzigsten Geburtstag hat er mir die afrikanische Goldmine geschenkt.« Sie sah Hartung mit einem tiefen Blick an, warf plötzlich die Arme um seinen Hals und preßte sich an ihn. »Gibt es für Sie noch etwas anderes als Pferde?«
»Eine ganze Menge.«
»Auch die Liebe?«
»Auch die.«
»Ich weiß es. Hätten Sie eine andere Antwort gegeben, hätte ich Sie Lügner genannt. Jeden Abend, wenn sie glaubt, die anderen schlafen schon, schleicht ein Mädchen in Ihre Kabine.«
Hartung wurde verlegen. Sie hat Angela beobachtet. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, der späten Zeit und dem blitzschnellen Huschen von Tür zu Tür – denn Angelas Kabine lag neben seiner – war Eve Walkering Zeugin ihrer Liebe geworden.
»Angela und ich sind verlobt«, sagte er, ohne einen Grund zu sehen, weshalb er sich rechtfertigte.
»Ich weiß es von Dr. Rölle.« Eve hing an seinem Hals, ihr schmales, porzellanhaftes Gesicht war ihm ganz nah. Der Wind wehte ihre roten Haare über seine Augen, Haare wie Seide, leicht nach einem französischen Parfüm duftend, das an Gras in der Sommersonne erinnerte. »Aber Sie gehören der ganzen Welt, davon gingen wir vorhin aus. Auch mir! Küß mich!«
»Was haben Sie davon?« fragte eine Stimme hinter ihnen.
Hartung fuhr herum. Eve, die noch immer die Arme um seinen Nacken geschlungen hatte, wirbelte um ihre eigene Achse. Angela stand an der Reling, lautlos aus der Dunkelheit aufgetaucht. In der Tür zur gedeckten Glasveranda erschien Dr. Rölle, mit wedelnden Armen und zerknittertem Gesicht.
»Ich konnte sie nicht ablenken«, stammelte er. »Als Sie aus dem Saal tanzten …«
»Küssen Sie ihn!« sagte Angela laut. Sie zeigte auf Hartung. »Los! Küssen Sie ihn! Wenn darin Ihre ganze Seligkeit liegt, ich
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