Des Teufels Kardinal
Basilika San Giovanni, die im Jahr 313 von Kaiser Konstan-tin dem Großen erbaute Kathedrale Roms und »Mutter aller Kirchen.« Heute war die Aussicht noch prachtvoller als sonst: In der Basilika zelebrierte Giacomo Pecci, Papst Leo XIV. anläßlich seines fünfundsiebzigsten Geburtstags ein Pontifikalamt. Auf dem Platz drängte sich eine gewaltige Menschenmenge, als feiere ganz Rom mit ihm.
S fuhr sich mit einer Hand durch sein schwarzgefärbtes Haar und sah zu Valera hinüber. In zehn Minuten würden dessen Augen sich wieder öffnen; in zwanzig Minuten würde er einsatzfähig sein. S
wandte sich abrupt ab und konzentrierte sich auf den uralten Schwarzweißfernseher in der Zimmerecke. Auf dem Bildschirm war eine Liveübertragung der Messe in der Basilika zu sehen.
Der Papst im weißen Priestergewand ließ seinen Blick über die Gesichter der Gläubigen vor ihm schweifen und erwiderte deren Blicke kraftvoll, Hoffnung spendend und spirituell. Er liebte seine Gläubigen, und sie liebten ihn ihrerseits. Trotz seines Alters und seiner allmählich nachlassenden Gesundheit schien das ein wahrer Jung-brunnen für ihn zu sein.
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Jetzt schwenkten die Fernsehkameras zur Seite und entdeckten in der Menge im Kirchenschiff die vertrauten Gesichter von Prominenten aus Kunst, Politik und Wissenschaft. Dann fuhren sie weiter und blieben kurz auf fünf Geistliche gerichtet, die hinter dem Pontifex maximus saßen. Es waren seine langjährigen Berater, seine uomini di fiducia, seine Vertrauten. Sie waren vermutlich das einflußreichste Gremium innerhalb der römisch-katholischen Kirche. Es waren: Kardinal Umberto Palestrina, zweiundsechzig Jahre alt. Ein Wai-senkind aus Neapel, das es vom Straßenjungen bis zum Außenminister des Vatikans gebracht hatte. Innerhalb der Kirche sehr beliebt und in Diplomatenkreisen hoch angesehen. Körperlich imposant: ein Zweimetermann, der hundertzwanzig Kilo wog.
Kardinal Rosario Parma, siebenundsechzig. Kardinalvikar von Rom, ein hochgewachsener, strenger, frommer Prälat aus Florenz, in dessen Kirche und Diözese die Messe zelebriert wurde.
Kardinal Joseph Matadi, siebenundfünfzig. Präfekt der Bischofskongregation. Gebürtig in Zaire, breitschultrig, jovial, weitgereist, mehrsprachig, diplomatisch gewandt.
Monsignore Fabio Capizzi, zweiundsechzig. Generaldirektor der Vatikanbank. Gebürtiger Mailänder, Oxford- und Yale-Absolvent, Selfmademan und Millionär, bevor er mit dreißig ins Priesterseminar eingetreten war.
Kardinal Nicola Marsciano, sechzig. Ältester Sohn eines toskanischen Bauern, Studium in Zürich und Rom, Verwaltungspräsident des Patrimoniums des Heiligen Stuhls. In dieser Funktion für die Überwachung aller Investitionen des Vatikans zuständig.
S schaltete mit seiner behandschuhten Hand den Fernseher aus und trat wieder an den Klapptisch vor dem Fenster. Hinter ihm hustete Miguel Valera und bewegte sich auf dem Sofa. Nach einem Blick zu ihm hinüber sah S erneut aus dem Fenster. Die Polizei hatte Absperrungen errichtet, um die Menge von dem gepflasterten Bereich vor der Basilika fernzuhalten, und auf beiden Seiten des Bronzeportals zogen nun berittene Polizisten auf. Links hinter ihnen, außer Sichtweite der Menge, sah S ein Dutzend dunkelblaue Kastenwagen stehen. Vor ihnen war ein Kontingent Bereitschaftspolizei aufmarschiert – ebenfalls außer Sicht, aber im Bedarfsfall einsatzbereit.
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Vier schwarze Mercedes, neutrale Dienstwagen der Polizeieinheit, die den Papst und seine Kardinäle außerhalb des Vatikans zu schützen hatte, fuhren jetzt an den zum Portal hinaufführenden Stufen vor, um den Papst und die Kardinäle in den Vatikan zurückzubringen.
Plötzlich wurden die Flügel des Bronzeportals aufgestoßen, und aus der Menge stieg ein Schrei auf. Gleichzeitig schienen alle Kirchenglocken Roms zu läuten. Sekundenlang geschah nichts. Dann hörte S
einen weiteren Aufschrei, der das Glockenläuten übertönte, als der Papst erschien. Seine weiße Robe hob sich deutlich von den roten Gewändern der ihm folgenden Kardinäle ab. Eng abgeschirmt wurde die kleine Gruppe von Sicherheitsbeamten, die ohne Ausnahme schwarze Anzüge und Sonnenbrillen trugen.
Valera ächzte, seine Lider zuckten, und er versuchte, sich auf die Seite zu wälzen. S sah wieder zu ihm hinüber, aber nur für einen Augenblick. Dann drehte er sich wieder um und hob einen in ein Badetuch gehüllten Gegenstand aus dem Schatten neben dem Fenster. Er legte ihn auf den Klapptisch, zog das Handtuch
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