Deshalb heisse ich Starker Baer
angetrottet. Sie kam auf mich zu und hatte zwei spitze Hörner. Ich schrie und lief weg und rutschte aus und fiel hin. Genau neben einen grünen Kuhhaufen!
»Nicht so eilig, Starker Bär!«, rief mein Vater und lachte. Ich lachte nicht mehr, ich war wütend.
Aber da passierte etwas Komisches. Mein Vater fiel auch hin! Auf einmal saß er neben mir und machte ein dummes Gesicht. Diesmal konnte ich ihn auslachen und er lachte auch. Wir lachten beide und der Senn kam und lachte mit.
»Wollt ihr aufs Spitzhorn?«, fragte er. »Da habt ihr Glück mit dem Wetter. Morgenregnet es. Ja, ja, der Herbst kommt. Die Kühe müssen in ein paar Tagen auch wieder ins Dorf hinunter.«
Der Senn hatte ein braunes, verknittertes Gesicht, beinahe wie der alte Indianer in meinem Buch.
Wir tranken Milch in seiner Hütte und er gab uns ein Stück selbst gemachten Käse zum Probieren. Der schmeckte aber nicht so gut wie der Käse aus dem Milchgeschäft.
Der Senn zeigte uns auch sein Butterfass. Darin machte er Butter. Er gießt Sahne in das Fass und dreht an einer Kurbel. Die Sahne wird hin und her geschleudert und immer dicker. Zum Schluss ist dann richtigegelbe Butter im Fass. Aber darauf konnten wir nicht warten, es dauerte zu lange.
»In der Molkerei geht es viel schneller mit den elektrischen Maschinen«, erklärte mir mein Vater später. »Was der Senn macht, ist eigentlich Zeitverschwendung. Na, Zeit hat er ja genug.«
Doch das brauchte der Senn nicht zu hören, weil er so nett war und uns alles gezeigt hatte. Zum Schluss zeigte er uns auch noch den Weg zum Gipfel und wir gingen wieder los.
Zuerst stiegen wir einen Grashang hinauf. Ich musste mich an den Grasbüscheln festhalten, sonst wäre ich hinuntergefallen. So steil war es! Dann hörte auch die Wiese auf und alles war nur noch steinig.Überall lagen Steine, kleine und große, und dazwischen gewaltige Felsbrocken.
»So sieht ein Gipfelweg aus«, sagte mein Vater. »Wir sind jetzt so hoch oben, dass hier weder Baum noch Strauch wachsen können. Das Geröll und die großen Steine stammen von verwitterten Felsen. Früher, viel, viel früher war der Berg einmal ein einziger glatter Fels. Aber dann hat es geregnet und geschneit und gefroren und gestürmt und der glatte Felsgipfel ist zersprungen und die Felsbrocken sind den Berg hinuntergerollt. Jetzt liegen sie hier und verwittern weiter. Eines Tages sind all diese dicken Felsen, die du jetzt siehst, zu kleinen Steinen zersprungen. Aber das hat noch viele Tausend Jahre Zeit, das erleben wir ebenso wenig wie die Eiszeit. So, und jetzt müssen wir klettern.«
Er ging dicht hinter mir her und zeigte mir, wo ich hintreten sollte.
»Siehst du die roten Striche auf den Steinen?«, sagte er. »Das sind Wegzeichen. Nach denen müssen wir uns richten, dann finden wir den bequemsten Weg. Wo ist das nächste Zeichen?«
»Dort«, sagte ich und zeigte auf einen Felsbrocken, »aber wie sollen wir über den Felsen hinüberkommen?«
Mein Vater tippte mit dem Finger auf eine Mulde im Stein.
»Hineintreten«, befahl er, »und dann zieh dich hinauf, genau wie beim Klettern im Baum, wenn du zum nächsten Ast willst.«
Ich tat, was er sagte.
Mein Vater schob hinten nach – schließlich saß ich auf dem Felsen. So ging es weiter, von einem Felsen zum anderenund immer höher hinauf. Ich merkte, dass Klettern gar nicht so einfach ist, besonders wenn man noch nicht so lange Beine hat wie mein Vater.
Aber es machte Spaß und außerdem konnte ich auch schon gut klettern, weil ich auf den Bäumen in unserem Hof geübt habe. Bei einem Schulausflug bin ich sogar schon einmal in die höchste Tanne geklettert, die es im ganzen Wald gab. Unten stand unsere Lehrerin und hat gejammert: »Komm herunter, Martin, komm sofort herunter.«
Genau wie meine Mutter! Meine Mutter steht auch immer unten und jammert, wenn ich in einen Baum klettere. Sie wollte es mir sogar schon verbieten. Doch mein Vater hat ihr gesagt, ein Junge muss klettern, das gehört dazu. Mein Vater war früher auch ein Junge, daher weiß er Bescheid.Und ich bin froh, dass ich auf den Bäumen im Hof geübt habe. Sonst wäre es jetzt bei der Bergtour bestimmt viel schlechter gegangen.
»Du machst es schon ganz gut, Martin«, lobte mich mein Vater, »gefällt es dir?«
Ich saß über ihm auf einem Felsen. »Klar!«, rief ich hinunter. »Besser als der steile Weg vorhin.«
»Ohne den steilen Weg könnten wir nicht hier sein«, sagte mein Vater.
Wir kletterten von einem Stein zum
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