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D.E.U.S.

D.E.U.S.

Titel: D.E.U.S. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Degas
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Tochter.« Meine Stimme kam mit einem heiseren Nachklang.
     »Wie
rührend. Eine Familienangelegenheit hat man hier nicht oft.« Apathie trat in
sein Gesicht. Er schien in sich zu gehen. »Ein Mann kommt zu mir. Ein anderer
Mann war da, wo er war. Er erzählte mir von des Mannes Vergangenheit. Der
Schmerz war das Thema. Die Erzählung ein Puzzle mit unendlich vielen Teilen.«
Er warf dem Barkeeper einen Blick zu. »Neu New Yorks Streuner werden zu Wölfen.
Doch was ist mit dem Fuchs!?«
     Ich
beobachtete den von der Pfeife aufsteigenden Dampf.
     »Wie
der Zufall so will ...« Er zog eine Visitenkarte aus seinem Jackett und warf
sie mir zu. Nicht seine, so viel stand schnell fest. Ich besah mir die Karte,
drehte sie in meiner Hand hin und her. Auf der Vorderseite standen ein Name und
eine Adresse:
     
    Minaki Hiro
    Red Garden 18, S/A
    NNY
     
     Benoit
sprach weiter: »Eine meiner Verflossenen. Sie leitet ein Kinderhaus im A-Sektor.
Das Red Dragon. Man kann es kaum verfehlen.« Er nahm noch einen Schluck vom
Vintage Port. »Sollte dir den Besuch wert sein.«
     Jetzt
fiel es mir wie Schuppen von den Augen: die Waisen.
     Ich
hatte an die Kinderhäuser gedacht, damals, am Anfang meiner Haft, als mir das
Denken leichter fiel. Benoit hatte recht: Zoë konnte nur in einem von ihnen
sein. Die Exekutive ging planbar bei der Beseitigung von Anhängseln vor. Jedes
Straßenkind ohne Eltern und ohne festen Wohnsitz wurde in eines der Häuser
gebracht. Dort würden sie aufwachsen, bis man sie irgendwann, wenn die Zeit
reif war, wie Abfall vor die Tür setzte. Hatte ein Kind Glück, wurde es von
einer Familie adoptiert. Das Problem war, dass Glück keine Konstante war;
Kinderhäuser waren kein Hort des Glücks, sie waren ein Gefängnis.
     Im
Untergrund gab es viele Kinderhäuser. Die meisten wurden von Asiaten und
Europäern geführt, die sich damit ihren Broterwerb sicherten. Die Exekutive
sorgte mehr für die Sicherheit der Häuser als für deren junge Bewohner. Die Verstaatlichung
war ein Privileg, welches sich nicht viele Institutionen leisten konnten. Die
Häuser prägten das Stadtbild im Untergrund, fast so sehr wie die Amüsierlokale,
Sauerstoffbars und Imbissstände an der Oberfläche.
     Benoit
war in Mehrmalsstimmung. Er zog abermals an seiner Pfeife. Kleine Bläschen
bildeten sich im Schlauch. Ein gequältes Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
     »Viel
Glück bei der Suche.« Mit diesen Worten stand er auf und ging in einen mit
einer halbtransparenten Plane verhangenen Raum.
     Bevor
ich die Bar verließ, sah ich auf die Rückseite der Karte. Ein Drache war darauf
abgebildet; die Zähne gefletscht, die Zunge feurig aus dem Maul hängend. Um das
linke Bein hatte sich ein jüngerer Drache gewunden.
     So
sah also die Utopie aus.
     
     Red
Garden war einer der vornehmeren Bezirke der Stadt. Der Anteil an Chinesen und
Japanern betrug über neunzig Prozent. Der Rest waren Europäer mit Geschäften
oder Klubs in der Nähe. Die Einheit patrouillierte hier nur zu besonderen
Anlässen. Die Bewohner des Gardens wussten sich selbst zu verteidigen.
     Ich
erkannte den roten Drachen. Er erkannte mich vorher. Das Gebäude war, wie der
Rest, eines der ersten, das nach dem Krieg und der Umsiedlung in die Höhe
entstanden war. Vor den Fenstern hingen breite Vorhänge, die keinerlei Einblick
gewährten. Es ging mir nur noch ein Gedanke durch den Kopf: Würde Zoë an diesem
Ort auf mich warten?
     Ich
trat vor den Eingang. Eine Klingel war nirgends vorhanden, dafür aber ein
Türklopfer in der Form eines Drachenkopfes. Ich klopfte zweimal.
     Die
dunkle Flügeltür schwang auf. Ein drahtiger Japaner winkte mich ausdruckslos zu
sich herein. Als ich die Schwelle übertrat, wurde ich von unzähligen Lichtern
geblendet. Der Geruch von Zedernholz strömte in meine Nase, was mich für einen
kurzen Moment wieder in die Natur katapultierte. Aber es lag noch ein anderer
Geruch in der Luft, einen, den ich nicht zuordnen konnte.
     An
der Decke hingen Kronleuchter. Das meiste Licht ging jedoch von den vielen,
hell erleuchteten Kerzen aus. In den Ecken standen Spiegel auf dem Boden,
angelehnt an die Wand – und ich war wieder in meinem alten Zuhause. Eine
Rezeption war vorhanden, aber kein Rezeptionist; es war nicht der rechte Ort
für Laufkundschaft.
     Ich
folgte einem roten Teppich, vorbei an noch mehr Rot, immer weiter den Gang
entlang. Vor mir ging der Japaner, ohne ein Wort zu sagen. Wir kamen an
geschlossenen Türen vorbei, die alle

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