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Deutschboden

Deutschboden

Titel: Deutschboden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Uslar
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sei es vorbei, dann müsse er sich jeden Tag eine Spritze abholen kommen. In drei Jahren war Rampa 35. Wir guckten auf den Fluss, und dann war die Zukunft dran – Rampa erzählte, dass die Band 5 Teeth Less demnächst ihre Debüt-CD herausbringen würde. Der Name der Debüt-CD der Band 5 Teeth Less aus Oberhavel, Hardrockhausen, lautete: The Orange Juice Experiment .
    Vielleicht dauerte es aber auch noch ein paar Wochen, bis die CD fertig sei, vielleicht auch Monate.
    Rampa schlug Geschäfte vor, mit denen sich in kürzester Zeit massenhaft Geld verdienen ließe, auch hier in Oberhavel. Kaviar aus dem Havelland (»Wir kaufen einen Stör und lassen den mit den Forellen ficken. Braucht man da mehr als einen Stör?«). Dann fantasierten wir vom idealen Lokal, das wir auf dem Brachland gegenüber der Aral-Tankstelle eröffnen wollten. Da müsste es einen riesigen Parkplatz geben und Burger-Menus inklusive Pommes und Softdrink zu nicht mehr als drei Euro. Eine Konkurrenz würde Burger Planet in Templin werden. Eigentlich, so Rampa, müsse man den Burgerladen in Gransee an der B96 eröffnen, da käme der Verkehr vorbei. Oberhavel liege einfach zu abseits für ein gutes Lokal. Und wir bestellten noch eins und guckten, und nichts weiter war.
     
    Auf der Rückfahrt vom Proberaum fuhr ich an etwas vorbei, das anders aussah als das Hinweisschild nach Deutschboden. Ich schaute in den Rückspiegel. Ich bremste, parkte den Wagen. Ich lief zurück und sah mir die Sache an.
    Da stand das, was von dem Schild übrig geblieben war: ein Pfosten, eine Halterung aus Metall.
    Den Ort Deutschboden hatte es nie gegeben, zumindest hatte ich, der Reporter, ihn nicht gefunden – nun war auch noch das Schild, das in Richtung der erfundenen Ortschaft gewiesen hatte, verschwunden. Ich stand da, überlegte, ob ich ein Schild grüßen musste, das ins Nichts gezeigt hatte und, so stellte ich mir das vor, von einer Bande lustiger Irrer gestohlen worden war. Ich entschied, dass ich genau für diesen Fall den Jungs ein Versprechen gegeben hatte. Ich stand da und schaute in den Wald hinein, ich hob die Faust, ich sprach: »Deutschboden.«
     
    Nun musste ich froh sein, wenn ich noch den Weg nach Hause fand.
    Abschied von Maria. Sie kam plötzlich sogar hinter ihrer Theke hervor. Wir standen vor dem Haus Heimat. Ich sah, zum vielleicht fünften und zum letzten Mal, dass sie grüne Augen hatte: Kontaktlinsen. Dann sah ich, dass sie andere Haare hatte als sonst. Ein großer schwarzer Haarhaufen lag ihr auf dem Rücken.
    Ich stellte die Profifrage: »Extension?«
    »Nein. Ein Haarteil. Das steckt man morgens einfach drauf. Sie gut aus, oder?«
    Es sah wirklich gut aus.
    Gütiges Abendlicht.
    Ich musste doch jetzt noch irgendwas Abschließendes über Deutschland denken. Mir fiel natürlich Gott sei Dank nichts ein.
    Maria schaute die Spandauer Straße in Richtung der Brücke hinunter – ich sah ihr Profil, das Haarteil, ihren Busen, ihren Bauch, und ich überlegte, ob die zwanzig Minuten, die mir in der Kleinstadt blieben, ausreichten, um vielleicht doch noch mit ihr zu schlafen.
     
    Wilfried, der alte Freund und Gangster, trat dazu. Er stand da auf dem Bürgersteig vor seiner Pension, weißes Hemd, Lederweste, schwarze Crocs, und schaute rechts die Straße hinunter, dann links die Straße hinunter, dann wieder rechts. Er schaute – ja, wie eigentlich? Wirt Finster schaute wie der Kleinstadt-Wirt, der vor seiner Pension auf dem Bürgersteig stand und rechts und links die Straße hinunterschaute.
    Maria ging ins Haus.
    Finster sagte: »Wenn du in den Urlaub fährst, auf die Fidschi-Inseln oder watt, vergiss aber nicht, den Hut abzunehmen, bevor du ins Wasser gehst.«
    Und der Wirt des Hauses Heimat in Oberhavel, Hardrockhausen, hielt mir grinsend die Hand hin: »Hau rinn.«
     
    Zurück in großer Runde: mein Lokal in Berlin. Es war viel los. 500-Gramm-Steaks. Die Kellner mit den Champagnergläsern.
    Mein Kumpel sah mich an. Ich musste lachen bei der Vorstellung, dass er rauszufinden versuchte, ob ich mich in der Kleinstadt verändert hatte. Natürlich hatte ich das. Die Blonde, an die ich in der Kleinstadt manchmal gedacht hatte, sah in echt nicht ganz so gut aus, wie ich sie in Erinnerung behalten hatte (aber natürlich schon super). Jemand fragte: »Wo warst du eigentlich die ganze Zeit?« Ich erklärte: »Nicht so weit weg. Nördlich von Berlin.
    Eine Stadt weiter.«
    Ob es da gut gewesen sei, wollte der neben mir wissen, und ich zögerte und sagte

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