Deutsche Geschichte Von 1815-1870
Opfermuthe vieler Frauen und Männer, geradezu herzzerreißend. Sterbend lagen Tausende auf den Straßen, nicht Leipzig's allein, sondern alle die Heerstraßen entlang, welche die Franzosen in eiligster Flucht durchmaßen. Erst in Frankfurt und Mainz genossen sie einen Augenblick der Ruhe, nachdem sie noch eine letzte Schlacht im Lamboywalde bei
Hanau
geschlagen, wo der baierische General
Wrede
mit seinen Truppen Napoleon den Weg zu verlegen suchte, und ihm dabei persönlich gegenüberstand. Trotz der tapfersten Gegenwehr wurden die Baiern geworfen; Napoleon war voll des grimmigsten Zornes auf den König von Baiern, und ließ sich über ihn in den Worten aus: »Ich werde ihn nächstes Jahr wiedersehen und er soll mir an seinen Treubruch denken. Er war ein kleiner Fürst, den ich groß gemacht, ich werde wieder einen kleinen aus ihm machen!«
Der Sieg bei Hanau gestattete ihm, in Frankfurt zu rasten, und dort sein Hauptquartier aufzuschlagen; noch führte er 70,000 Franzosen mit sich, deren Reihen jedoch die Typhusepidemie, welche sich von da über ganz Deutschland verbreitete, furchtbar lichtete. – Immerhin gebot er noch über eine ansehnliche Macht, denn in den Festungen zwischen Rhein und Weichsel lagen 190,000 Mann mit vielem Geschütz und unermeßlichem Material, ebenso befand sich Hamburg noch in den Händen von Davoust, der dort hauste, wie der böse Feind. Auf die deutschen Verbündeten aber durfte er nicht mehr zählen, trotzdem man an den Höfen von Würtemberg, Baden und Hessen noch immer sehr napoleonisch gesinnt war. Der Großherzog von Baden drückte sogar sein lebhaftes und ausdrückliches Bedauern darüber aus, daß er wieder ein »
deutscher Fürst
« werden mußte. – Man wollte immer noch nicht an Napoleon's Niederlage glauben, und erst am 2. Nov. schloß Würtemberg mit Metternich seine Verträge ab, die ihm gleichfalls
volle Souveränität
garantirten.
Der Großherzog von Hessen blieb noch hartnäckiger; er hatte sich bei dem Heranrücken der Verbündeten nach Mannheim geflüchtet, fast unter den Schutz der Franzosen, während sein Minister Du Thil doch klugerweiser bereits mit dem baierischen General Wrede darüber unterhandelte, auf welche Weise sich der Herzog mit den Verbündeten werde vergleichen können. Die erste Bedingung war natürlich der Austritt aus dem Rheinbunde; aber der Großherzog zögerte so lange, daß nun unter dem Drange der Verhältnisse Du Thil dem General Wrede auf das Schlachtfeld von Hanau nachreisen mußte, wo man eiligst auf einer Trommel eine Militärconvention zwischen Hessen und den Verbündeten unterzeichnete, die den Bestand des Großherzogthums rettete. – Von großer und schlimmer Bedeutsamkeit aber war es, daß sich die Rheinbündler unter Metternich's, nicht unter Preußens Obhut begeben hatten, daß sie mit Ersterem ihre Verträge abschlossen. –
So sah sich nun der größte Theil Deutschlands von der französischen Herrschaft befreit; die Centralverwaltung konnte endlich ihre Thätigkeit beginnen, aber mit der Sprengung des
Königreichs Westphalen
kehrten jetzt die alten Regierungen, aus deren Landestheilen dieses »lustike royaume«, war zusammengewürfelt worden, zurück. – Und wie kehrten sie zurück, diese Hannoveraner, Braunschweiger und Hessen-Kasseler – einzig und allein von dem Gedanken erfüllt, das Alte, das Ungerechte und Gestürzte, wieder neu aufzurichten, ganz ebenso wie es gleich nach ihnen die Bourbonen auf dem Boden Frankreichs versuchten. In
Hannover
, das jetzt wieder unter einer besonderen Regierung mit England verbunden wurde, führte man die Stockprügel, den Juden-Leibzoll, das Gassenlaufen u.s.w. wieder ein. In Hessen-Kassel begegnen wir einem ähnlichen Verfahren; es ging dort jetzt schlimmer zu, als einst im alten Feudalstaate. Mit Recht jammerte Arndt der in Hannover waltete: »Die hannöver'sche Politik scheint aller Lehren, welche die letzten 13 Jahre mit so blutiger Schrift vorgezeichnet, zu vergessen, und nährt den jammervollen Glauben, sie könne einen hannövrischen Staat bilden, und ohne Deutschland, unter Englands Schutz mächtig dastehen –«, während
Stein
bezüglich des Kurfürsten von Hessen, schreibt: »Gebt mir Kanonen, mit Vernunftgründen ist bei dem nichts auszurichten!« –
Es war eine Sisyphusarbeit die dem Centralverwaltungsrath auferlegt war, mit diesen Elementen fertig zu werden, unter diesen Verhältnissen die Volkswehr in den neu befreiten Ländern einzurichten. Wir aber erblicken in diesem
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