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Deutsches Elend. 13 Erklärungen zur Lage der Nation

Deutsches Elend. 13 Erklärungen zur Lage der Nation

Titel: Deutsches Elend. 13 Erklärungen zur Lage der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Schmidt
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des ›Sonnenkönigs‹ verlassen ? Und noch heimlich dazu; zitternd; auf Schleichwegen : oh, man war durch das vorhin erwähnte Beispiel Spaniens gewarnt ! Einerseits sollte die Einheitlichkeit des Glaubens‹ erzwungen werden, compelle intrare; andererseits wollte man auf keinen Fall so viel unersetzliche fleißige und intelligente Einwohner verlieren. Also griff man anläßlich dieser, wieder einmal im eklen Zusammenspiel von Thron & Altar, veranstalteten Großschweinerei, zu dem folgenden hochpolitischen Mittel: wer nicht freiwillig katholisch wurde, bekam ein Dutzend Dragoner als Einquartierung ins Haus gelegt, die ausgesucht ›rauhesten Krieger‹, versteht sich; die dann in Küche und Keller und Schlafgemach des Hausherrn so lange nach Willkür schalteten, bis jener die Wahrheit der alleinseligmachenden Lehre eingesehen hatte : das nannte man mit dem Fachausdruck ›Dragonnaden‹ – und wenn das Ding einen Namen hat, unter dem man es zitieren kann, in amtlichen Berichten, oder in Lexika, dann ist es ja schon halb so schlimm, und ein ›historischer Begriff‹ geworden. Gleichermaßen flohen die Puritaner Cromwells vor der Restauration Karls II. Die Salzburger Protestanten mußten vor dem eifrigen Erzbischof Firmian entweichen : »Hab ich den Markt und die Straßen doch nie so einsam gesehen !« Wie sangen die Mormonen, als sie auf ihrem großen Treck, wiederum Tausende, die zivilisierten Oststaaten verlassen mußten : »Oft will ich dann gedenken / an Freund und Jugendland : doch ist's mein Volk im Westen, wo ich die Heimat fand !«
    Und nach jeder politischen Umwälzung‹ noch flossen die Flüchtlingsströme – ob nach den immer erneuten ›Teilungen Polens‹ (wir verstehen das unglückliche Land hoffentlich allmählich besser, seitdem auch die Teilungen Deutschlands‹ ein geschichtlicher Begriff zu werden beginnen; die erste erfolgte zur Napoleonischen Zeit) – ob die Ungarn zu Zehntausenden in die Diaspora geraten; oder die Indonesier die gleiche Anzahl Holländer ›ausweisen‹.
    Zweierlei aber ergibt sich aus den angeführten nachdenklichen Beispielen : die Ursachen solcher Massenaussiedlungen (und im Grunde auch die jeder Einzelemigration) sind immer die gleichen. Einerseits die ausgezeichnete Perfidie der Politiker und Militärs; andererseits die nicht geringere der sogenannten ›positiven Religionen‹; bzw. das Zusammenwirken beider. (Was nebenbei verdächtig oft eintritt). Woraus weiterhin folgt ---tja: was folgt wohl daraus ? (Gewiß, unser großer Dichter Wieland hat ein Hausmittel angegeben, gegen jedweden Konflikt mit Staat und Staatsreligion : »Friß Deine Knackwurst, Sklav, / und halt Dein Maul !« – aber klingt es nicht doch irgendwie unbefriedigend ? ) .

    [1957]

DAS=LAND=AUS=DEM=MAN=FLÜCHTET
    Alfred Andersch : ›Sansibar, oder der letzte Grund‹. / Verlag Walter, Olten.
    Und gleich den Schock vorweg : er meint Deutschland !
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    Das Buch ist kurz : die langgedehnte dünnflüssige 12OO=Seiten Klarheit überlassen wir, sehr richtig, den Angelsachsen.
    Der Personenapparat entsprechend auf 6 reduziert: wer mehr braucht, ist ein Schwätzer; er heiße Tolstoi oder Galsworthy; die freilich beginnen dann auf den letzten 200 Blättern ihre sämtlichen Gestalten zu ›versorgen‹ – d. h. umzubringen, bzw. zu verheiraten – : aber auf 200 Seiten kann man mehr tun !
    Die ›Fabel‹ kann in einen Satz zusammengefaßt werden : ich habe mir erlaubt, ihn als Überschrift zu wählen.

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    Zuvor noch dieses : ein sehr bekannter Kritiker hat sich berufen gefühlt, ›Sansibar‹ u. a. folgende wohlmeinende Beiworte zu erteilen :
    »In Schönheit aufgelöste Trauer«; ein »nobler Geist«; ein »unaufdringliches Gleichnis«; »tröstlich«; ein »innerliches Buch« – vielleicht wird diese Perlenschnur grotesker Fehlurteile begreiflicher, wenn ich hinzusetze, daß der Betreffende Schweizer ist; d.h. unbekannt mit der mitteleuropäischen Realität.
    »In Schönheit aufgelöste Trauer« ? : so sagt meine Waschfrau auch, wenn Grace Kelly auf der Leinwand »nölt« (ein Wort aus ›Sansibar‹ selbst). Ein »nobler Geist«?: gottlob heißt der Verfasser mit nichten »von Andersen«; bei uns sind – zumindest in Kennerkreisen – Adels= und andere Prädikate immer verdächtig (weil fast unvermeidlich auf begrenzte Kenntnis der Realität hindeutend) ! Ein »unaufdringliches Gleichnis« ? : selten las ich eine aufdringlichere Abbildung der Wirklichkeit; in Gleichnissen spricht nur der

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