Deutschland allein zu Haus
müssen was machen, sonst verfällt der hier auch gleich in Totenstarre!«
In dem Moment klingelt das Händy des Opfers. Ich gehe sofort ran.
»Bitte geben Sie ihn mir zurück!«, fleht mich eine weinerliche Frauenstimme an.
»Weinen Sie bitte nicht! Ihrem Freund geht es den Umständen entsprechend. Aber bitte rufen Sie trotzdem sofort einen Krankenwagen«, entgegne ich.
»Wie bitte? Drohen Sie mir jetzt etwa auch noch, meinem Freund was anzutun?«, kreischt sie hysterisch.
»Nein, im Gegenteil, Ihr Freund wollte meiner Frau im Stile eines Kauboys im Vorbeiflug mit hoher Geschwindigkeit die Handtasche von der Schulter reißen. Jetzt liegt er selber am Boden.«
»Er ist doch kein Freund von mir! Dieser verfluchte Dieb hat mir vor ein paar Minuten meinen Rucksack geklaut, samt meinem Händy, mit dem Sie jetzt gerade reden! Ich will mein Händy wiederhaben, wo sind Sie?«
Plötzlich stehen zwei Streifenpolizisten unmittelbar vor mir.
»Ich wollte das nicht, das tut mir echt leid. Das war keine Absicht«, jammert Eminanim am Boden zerstört. »Nachdem mir diese Fahrradfahrer schon die dritte Handtasche geklauthaben, bin ich völlig traumatisiert. Ich klammere mich instinktiv wie eine Irre an meiner Handtasche fest, wenn ich merke, dass von hinten ein Radfahrer heranbraust.«
»Machen Sie sich keine Sorgen, Sie haben doch nichts falsch gemacht«, meint der Polizist. »Dieser Serientäter ist uns bestens bekannt. Den verhaften wir zweimal wöchentlich und der Richter lässt ihn 5 Minuten später wieder laufen. Aber mit diesen Beinen kann er wohl nicht mehr so schnell laufen.«
Dann heben sie ihn hoch und schleppen ihn zum Krankenwagen, der eben mit großem Gejaule neben uns angehalten hat.
»Es gibt also doch noch fahrende Krankenwagen in Deutschland – gut zu wissen«, freue ich mich.
»Fahrer haben wir noch, aber keine Ärzte und Krankenschwestern«, meint der Sanitäter.
47 Die Nacht verbringen wir wie in der guten alten Zeit, als wir noch mit dem Wagen in die Türkei fuhren, im Ford-Transit.
Und mit dem gleichen Morgengruß wie damals in Serbien weckt uns Eminanim wieder auf:
»Mein Gott, wir wurden ausgeraubt! Die verdammten Diebe haben unsere oberen Stockwerke geklaut!«
Unser armer Ford-Transit steht auf dem riesengroßen Parkplatz so splitterfasernackt da, wie ihn die Ford-Motorenwerke vor vielen, vielen Jahren in Köln geschaffen haben.
Ich hatte mir solche Mühe gemacht, den Kühlschrank, die Tiefkühltruhe und den neuen Flachbildschirm ordentlich und aerodynamisch auf dem Dach festzubinden.
Mein weiser Onkel Ömer, der in seinem Leben schon viel erlebt hat, meint scherzhaft:
»War ja klar, ihr hattet für die beiden oberen Stockwerke auch keine Baugenehmigung!«
»Osman, ist dir eigentlich klar, dass wir nichts mehr besitzen, außer dieser Klapperkiste und was wir so am Körper anhaben?« Meine Frau hatte noch nie was für Scherze übrig – besonders wenn wir ausgeraubt wurden. »Du weißt, dass wir fast gar kein Geld mehr haben. Seit Wochen kommen wir nur dank Onkel Ömer über die Runden.«
»Die Geschäfte laufen aber nicht mehr so gut. Genauer gesagt, gar nicht!«, seufzt Onkel Ömer. »Ich bekomme keinen einzigen Anruf mehr. Die Gemüse-Lkws aus der Türkei kommen ebenfalls nicht mehr!«
»Hörst du, Osman, deshalb fährst du jetzt zum Finanzamt und versuchst, unsere Steuerrückzahlung zu bekommen. Diesen Nazis werde ich keinen einzigen Cent schenken!«
»Und was ist, wenn die mich dort sofort verhaften?«
»Das Finanzamt ist mit Sicherheit der letzte Ort, wo sie dich suchen würden! Und in der Zeit gehen wir ein Gesteck besorgen«, unterbricht mich Eminanim sofort und gibt mir überhaupt keine Gelegenheit, ein bisschen in Selbstmitleid zu baden. »Heute Nachmittag findet doch die Trauerfeier für Frau Fischkopf statt.«
»Was? Oma Fischkopf ist tot?«
»Nicht unsere Oma Fischkopf. Ihre Schwester Käthe ist doch gestorben. Wie immer hast du von nichts ‘ne Ahnung! Wenn wir das Gesteck besorgt haben, kommen wir wieder hierher.«
Ich muss sagen, man merkt sofort, dass unser armer Ford-Transit von sehr großer Last befreit wurde! Die zwei großen Stockwerke sind doch kein Pappenstiel gewesen. DerFranz-Josef springt gut gelaunt hin und her wie ein junger Hüpfer und im Nu sind wir vor dem Finanzamt.
Ob die hier bei der Behörde überhaupt noch die Steuererklärungen von Türken bearbeiten?
Die Brüder denken bestimmt, dass ich, wie all die anderen Ausländer, ohnehin schon
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