Deutschland allein zu Haus
abgehauen bin und sie deshalb mein ganzes sauer verdientes Geld einfach so einkassieren können.
Und wie ich völlig richtig vermutet hatte, schaut mich mein Sachbearbeiter völlig entgeistert mit weit aufgerissenen Augen an, als hätte er einen Außerirdischen zu Besuch – einen ausländischen Außerirdischen! Einen ausländischen, außerirdischen Schmarotzer, der weder im Finanzamt noch in Deutschland was zu suchen hat!
Ich bin kein Schmarotzer, verdammt!
»Alle Ausländer sind Schmarotzer! Die waren doch alle arbeitslos und bezahlten ohnehin keine Steuern. Warum hat sich dieser Türke denn hierher verlaufen?«, denkt der sich jetzt wohl hinter seinem chaotischen Schreibtisch, der mir weismachen soll, er würde bis zum Hals in Arbeit stecken.
»Ich habe 30 Jahre lang in Halle 4 gearbeitet, und das sehr, sehr hart, du Ignorant, da warst du noch nicht mal geboren«, kontere ich sofort – innerlich natürlich!
»Diese Türken hatten doch bestenfalls einen stinkenden Gemüseladen, lümmelten von morgens bis abends hinter der Theke rum und produzierten bei der Gelegenheit massenweise Kopftuchmädchen«, denkt er weiter und merkt nicht mal, dass ich all seine fremdenfeindlichen Gedanken von seinen abweisenden Blicken ablesen kann.
»Du hast ja von nichts ’ne Ahnung! Wenn du wüsstest, wie viel Arbeit so ein Gemüseladen macht«, werfe ich ihm meine Gedanken an den Kopf. »Man muss morgens, bessergesagt, mitten in der Nacht aufstehen, in eisiger Kälte zum Großmarkt fahren, zentnerweise Gemüsekisten aufladen, im Geschäft alles wieder ausladen und wie ein Irrer 15 Stunden lang pausenlos schuften. Ohne die Hilfe der anderen Familienmitglieder ist diese Arbeit auf keinen Fall zu schaffen. Und das Produzieren von Kopftuchmädchen kommt einem schon gar nicht in den Sinn! Es ist überhaupt nicht zu vergleichen mit deinem lächerlichen 8-Stunden-Zeittotschlagen in diesem gemütlichen Büro, du Parasit!«
»Diese ganzen Gemüseläden und Dönerbuden waren ohnehin alle nur zur Tarnung da«, meint er. »Damit haben die Ausländer all die Jahre doch nur ihre schmutzigen Drogengelder gewaschen!«
»Drogen? Dass ich nicht lache! Die meisten Türken verkauften in ihren Geschäften nicht mal Dosenbier, du blöder Rassist!«, brülle ich fassungslos zurück.
Besser gesagt, ich hätte so gebrüllt, wenn der Mann auch nur ein Wort gesagt hätte. Aber seit zehn Sekunden starrt er mich nur regungslos an.
Doch dann spricht er plötzlich:
»Herr Engin, jetzt weiß ich endlich, woher ich Sie kenne. Vom Elternabend natürlich! Sie sind doch der Vater von diesem reizenden kleinen Mädchen Hatice, das neben meinem Sohn Kevin saß, nicht wahr?«
»Bei Allah, unsereins ist nach all den Jahren in Deutschland so überempfindlich geworden! Und die jetzige rassistische Partei goss noch mehrere Tonnen Öl ins Feuer«, stottere ich völlig verwirrt.
»Ich verstehe Sie nicht ganz. Was kann ich für Sie tun, Herr Engin?«
»Ich … ich will für meine Drogengeschäfte Steuern zahlen … öhm … ich meine, ich möchte wegen meiner Steuerhinterziehungnachfragen … ich meine, ich will wissen, ob ich vielleicht doch noch etwas Geld zurückbekomme?«
»Herr Engin, Sie bekommen tatsächlich noch etwas zurück«, meint er. »Aber ich kann ja nicht bar bezahlen. Wohnen Sie immer noch im Karnickelweg 7b?«
»Nein, seit gestern wohnen wir im Franz-Josef-Transit-Boulevard 68.«
Wenn schon – denn schon!
48 Die vielen Glatzen auf den Straßen erinnern mich an Mehmets Seite. Ich schaue sie mir sofort auf Nermins Laptop an:
www.hautdieglatzenbissieplatzen.de
Bingo! Mehmet hat seine Seite wieder zurückerobert!
›Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit‹ präsentiert: DIE HERRMANNs – Eine Bremer Homestory in mehreren Folgen. Folge 5:
Herbert Herrmann hat sich als guter Gastgeber aufwendig parfümiert, zwei hübsche Kerzen auf dem Tisch angezündet und seine schönste Feinrippunterhose in glänzendem Gelb mit einer rosa Hello Kitty drauf angezogen, als es endlich klingelt. Er macht völlig aufgeregt die Tür seiner bescheidenen Abgeordnetenbude auf und schaut mit großen Augen sehr erwartungsvoll zu dem Taxi, das mit seiner erotischen Ladung sein Heim mal wieder in ein Paradies verwandeln soll – ihm aber stattdessen augenblicklich die Hölle beschert!
Herbert Herrmann traut seinen Augen nicht! Tatsächlich klettern aus dem Taxi seine nervige Ehefrau Hilde, seinedebile Mutter Anneliese, dann noch so eine alte Hexe und sein beschränkter
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