Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)
beispielsweise erhalten im Vorschulalter, falls erforderlich, schwedischen Sprachunterricht – aber auch Nachhilfe in polnischer Sprache und Landeskunde, damit sie nicht die Verbindung zu ihrer Ursprungskultur verlieren.
Investment mit Traumrendite
Das alles klingt, gemessen an der deutschen Kinderverwahrungs-Tristesse, nahezu utopisch. Und unbezahlbar. Doch das Gegenteil trifft zu.
Durch gut ausgebildete Krippen- und Kita-Erzieher/innen, die sich in kleinen Gruppen um Kinder spätestens ab dem dritten Lebensjahr intensiv kümmern, kann ein großer Teil der Probleme entschärft oder präventiv vermieden werden, die hierzulande immer größere Sprengkraft entwickeln:
mangelnde Sprachkenntnisse und allgemeine Wissensrückstände der Kinder aus sozial benachteiligten Familien mit oder ohne Migrationshintergrund,
wachsende Gewalt und Kriminalität in ghettoähnlichen Brennpunktvierteln,
rapider Anstieg von Alkoholismus und anderen Suchterkrankungen, psychischen und psychosomatischen Krankheiten in bildungsfernen Haushalten,
immer krassere Chancenungleichheit der auseinanderdriftenden sozialen Gruppen und Schichten mit der Folge von »vererbter« Gewalt (»transgenerationale Vermittlung« – siehe Kapitel 1 ), Verwahrlosung und Arbeitsunfähigkeit über Generationen hinweg.
Seit Jahrzehnten liegen wissenschaftliche Studien vor, die den immensen volkswirtschaftlichen Schaden beziffern, der durch derlei soziale Verwerfungen entsteht. Es geht um Milliardenkosten, die Staat und Gesellschaft durch frühzeitig einsetzende Förder- und Erziehungsprogramme einsparen könnten. Wer ohne häusliche Gewalterfahrung aufwächst, sich in die Gesellschaft integriert, einen qualifizierten Schulabschluss macht, eine gute Berufsausbildung bekommt und in der Folge einen interessanten und einträglichen Job findet, der wird in aller Regel weder kriminell noch drogenabhängig, weder gewalttätig noch langzeitarbeitslos werden. Was dagegen im Kleinkindalter an förderlichen Maßnahmen versäumt wurde, lässt sich durch spätere »Reparaturprogramme« selbst mit hohem Aufwand nur noch eingeschränkt beheben.
Länder mit schwindender Bevölkerungszahl können sich solche »Ressourcenvergeudung« immer weniger leisten – und weltweit altern nur wenige Gesellschaften so rapide wie die deutsche. Schon das schlichte volkswirtschaftliche Kalkül lässt es also ratsam erscheinen, Kindern aus sozial schwachen Familien den kostenlosen Besuch von Kitas und Vorschulen zu ermöglichen.
Wir sind keineswegs dafür, eine allgemeine Kita-Pflicht einzuführen, wie das von manchen Politikern gefordert wird. Der Staat sollte sich darauf beschränken, bundesweit gültige Standards nach skandinavischem Vorbild festzulegen und den kostenlosen Kita-Besuch für alle Kinder zu ermöglichen. Wenn Eltern für ihre Kinder zwischen hochwertigen Angeboten wählen können, wird sich – ähnlich wie in Schweden oder Finnland – über kurz oder lang nur noch eine kleine Minderheit verweigern. Diese Eltern sollten allerdings nicht durch eine »Fernhalteprämie« belohnt werden. Vielmehr müssen sie es sich gefallen lassen, dass der Gesundheitszustand und die Entwicklung ihrer Kinder durch entsprechend geschulte Fachkräfte in geringen Zeitabständen überprüft werden.
Die Organisation
Prevent Child Abuse America
hat errechnet, wie hoch die gesellschaftlichen »Reparaturkosten« nach Kindesmisshandlungen in absoluten Zahlen im Jahr 2001 waren. Die direkten Folgen der verübten Misshandlungen
(»medizinische Behandlung, psychische Erkrankungen, Kinder- und Jugendhilfe, Rechtssystem«)
beliefen sich demnach in den USA auf
»mehr als
24
Milliarden Dollar«, »die indirekten Kosten (Betreuung behinderter Opfer, Kriminalität, verlorene Produktivität und Steuerausfälle) auf knapp
70
Milliarden Dollar, zusammen also auf etwa
94
Milliarden Dollar«.
Das entspricht, auf die Bevölkerungszahl Deutschlands heruntergebrochen, jährlich etwa 30 Milliarden Euro (
Kindesmisshandlung,
S. 4 ).
Dagegen zahlen sich nach verschiedenen Langzeitstudien vor allem Investitionen in die Frühförderung von Kindern auch volkswirtschaftlich aus – laut der HighScope Perry Preschool Study (www.highscope.org) sogar mit traumhafter Rendite: Für jeden Dollar, der in das Förderprogramm investiert wurde, konnten 17 Dollar an »Reparatur«-Kosten eingespart werden.
Doch diese Kostenersparnis wird leider erst mit einem Abstand von mehreren Legislaturperioden wirksam. So steht
Weitere Kostenlose Bücher