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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie in ihrem Laboratorium hantieren, wie so oft hatte sie sich dorthin zurückgezogen wie ein Kind in seine Spielhöhle.
    »Ich weiß, daß du erst nachts fliegst, du Lump! Bedien deine verdammten Stratosphärenhuren besser als mich!«
    Er floh in seinem Wagen, vergewisserte sich, daß sein Koffer vorhanden war, und jagte mit kreischenden Rädern davon.
    Rut Bloch war 27, als sie ihre erste Fehlgeburt hatte; und obwohl ihr Mann bis zum heutigen Tag jeden Zusammenhang geleugnet hatte, stand für sie fest, daß damals seine Affären begonnen hatten. Spätestens nach der zweiten war die Kluft auch für ihre gemeinsamen Freunde offenbar; und öfter und länger zog sie sich in ihr Laboratorium zurück – eine Art Hobbyraum, wo sie die Experimente ihrer Studienjahre fortsetzte.
    Anfang der sechziger Jahre hatte sie, eine der attraktivsten und intelligentesten Kommilitoninnen, drei Semester Physik und Chemie in Göttingen studiert. Allerdings verdrängten von Semester zu Semester mehr Partys und Budenfeste die Studienstunden. Bald hatte sie sich den Ruf einer zwar begeisterungsfähigen, aber krankhaft emotionalen und haltlosen Gefährtin erworben, mit der man durch dick und dünn gehen konnte, wenn sie dazu in Stimmung war, auf die jedoch kein Verlaß war. Sie konnte den ganzen Tag und die wichtigsten Termine verschlafen, die leutseligsten Zusammenkünfte mit ihren Heulkrämpfen schockieren und schreckte auch vor Selbstmorddrohungen nicht zurück, die allerdings niemand ernst nahm – irrtümlicherweise, wie sich nach dem ersten Versuch mit Schlaftabletten herausstellte.
    Zwischen diesen Perioden tiefer Depression und Verzweiflung oder nackter, selbstzerstörerischer Wut auf alles und nichts konnte sie von bestrickendem Charme sein, so unwiderstehlich, daß selbst ein so korrekter und auf Form und Ruf bedachter Mann wie Christian Bloch davon angezogen wurde. Ihre Hochzeit fand im großen Kreis seiner Familie statt, in der schloßähnlichen Villa seiner Eltern bei Paderborn. Sie benahm sich so untadelig, daß die gesamte etikettehörige Verwandtschaft ihr höchstes Lob zollte.
    Sie gab ihr Studium auf, blieb aber an ihrer Chemieküche hängen wie ein Teenager an seinen Puppen.
    Irgendwann, wahrscheinlich schon während ihrer Universitätsjahre, hatte sie angefangen, Haschisch zu nehmen. Dann hatte sie darauf verzichtet zugunsten exzessiven Alkoholgenusses. Über ihre neuen Konsumgewohnheiten redeten sie nicht.
    Ohne Rücksicht auf seine Flüge am nächsten Morgen pflegte sie ihn manchmal nachts, wenn sie sich schlaflos wälzte, aufzurütteln:
    »Du schnarchst wie ein Walroß, Chris!«
    Wenn er sich murrend auf die andere Seite warf, begann sie ihre großen, versoffenen Monologe:
    »Du Lufttiger, du Wolkenhacker, du Stratosphärenhengst hast wohl durch meine Fehlversuche einen Kinderkomplex gekriegt. Jetzt treibst du es in der ganzen Welt, nur hier am Taunus nicht, weil du so penetrant auf deinen Scheißstinkruf bedacht bist. Aber in Burma, in Ghana, in Mexiko, da laufen sie rum, deine globalen Balgen, dutzendweise, die Mütter stehen Schlange an der Rolltreppe, wenn du landest.«
    Inzwischen sah man ihrem einst fein ziselierten, zartknochigen Gesicht die durchwachten Nächte und geleerten Flaschen an. Das einzige, was die Gesellschaft noch interessierte, war, mit wem sie sich eigentlich schadlos hielt; seltsamerweise hatte sie niemand je mit in Frage kommenden Männern ertappt.
    Ihr Holzbungalow, Statussymbol eines erfolgreichen Kapitänslebens, stand bei Königstein – ›in bezaubernder Südlage‹, wie es im Grundstücksprospekt einst geheißen hatte. Hangabwärts garantierte alter, unter Naturschutz stehender Baumbestand unverbaubare Weitsicht.
    Sie hatte sich abgewöhnt, zu fragen, wann er wirklich flog, und nahm von vornherein pauschal an, er werde zunächst einmal die Nacht bei einer anderen verbringen. Manchmal rief sie ihm zum Abschied ein paar Schmährufe nach – ein normales, leidenschaftsloses Gespräch hatten sie in den letzten Monaten kaum je geführt.
    Manchmal konnte sie stundenlang im Bad vor dem Spiegel verbringen: Sie legte ihre reizlose Hauskluft ab, suchte verbissen in ihrem Kleiderschrank und zog ein extravagantes Abendkleid, einen Cocktaildreß aus Organza oder ein elegantes Straßenkostüm heraus. Sie streifte ihre schäbig-billigen Stumpfhosen ab, zwängte sich in einen Strumpfhaltergürtel, wählte sorgfältig Nylon und Seide aus, zog Lippen und Brauen nach der letzten Mode nach und entzog

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