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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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Copilotenfunktion hingewiesen werden. Einmal griff er mir ins Steuer, als ich …
    gez. Hoboldt, Checkkapitän DC-9.
    Landung bei 200 Fuß/700 m (unerwartet auftretender Seenebel) auf Teneriffa einwandfrei. Beim Ausrollen etwas nervös im Seitenruder, aber sicher. Start bei 18 Knoten Querwind o.k … Aber weshalb muß Herr M. immer wieder die Meinung von Kapitänen korrigieren wollen, die mehr Erfahrung als er besitzen?
    Gez. Capt. Chr. E. Bloch.
    Dann hatte Mahlberg sich in den Crew-Aufenthaltsraum begeben, wo eine durcheinanderwirbelnde Fülle von Besatzungsmitgliedern ihre Wartezeiten verbrachte: Bordingenieure, Piloten, Stewardessen in den umbrabraunen Sackkleidern mit riesengroßen aufgesetzten Taschen, die von Rudi Gernreich entworfen waren und nur schmalhüftigen Mädchen standen.
    Trotz der laufenden Eröffnungszeremonien war in diesem Raum so gut wie nichts fertig. Das überraschte keinen alten Hasen: Die Crews rangierten auf der Bedarfsliste der Flughafenverwaltungen stets an allerletzter Stelle. Mahlberg hatte im Vorbeischlendern am Fünf-Sterne-Lindbergh-Luxusgrill (Spezialitäten aus fünf Kontinenten) das Reporterteam beobachtet, das entzückt seine Breitwandfotos schoß. In den schäbigen Ruheräumen der Crews hatte sich noch kein Fotograf blicken lassen. Es hätte eines Wallraff oder einer Erika Runge bedurft, hier einem interessanten Stoff auf die Spur zu kommen. Aber beide waren offensichtlich der Ansicht, daß es jenseits der profanen Arbeiterwelt keine Mißstände gab, schon gar nicht in den olympischen Gefilden der Vierstreifenkoryphäen.
    Gesprächsfetzen, Bruchstücke, Anglizismen, ins Gebrauchsdeutsche übertragen: Und wir völlig auf dem Zahnfleisch völlig out of service arriven zwar an time aber am falschen gate … schon beim climb-out eine fluctuation auf dem Einser … am counter hatten sich drei upgegradet und ausgerechnet die schlugen sich um den Kaviar … mit dem fuel hätten wir die Welt umsegeln können aber wir sind trotzdem divertet.
    »Die Fliegerei«, sagte Mahlberg zu einer Gruppe von Kollegen, »könnte so wunderbar wie ein ordentlicher Geschlechtsverkehr sein. Wenn nur die Kapitäne nicht wären!«
    Er ließ sich über die einzelnen Kapitänstypen aus; nach seiner Typologie gab es ›den Übervorsichtigen‹, ›den Frauenhelden‹, ›den nostalgischen Kriegsflieger‹, ›den von Minderwertigkeitskomplexen Geplagten‹ und ›den Herrn Luftfahrt in Person‹! Über die letzte Gattung äußerte er sich:
    »Er ist der Stellvertreter der Heiligen Aeronautik auf Erden. Ein vom Himmel Gesandter. Die Formel von Auftrieb und Widerstand ist für ihn eine magische Beschwörungsformel, die Flugbetriebsvorschrift eine religiöse Erbauungsschrift. Natürlich muß er an Bord alles selber machen, weil außer ihm niemand auch nur die Grundbegriffe der Aerodynamik begriffen hat.«
    »Wozu würdest du deinen heutigen Leitstern rechnen?«
    »Den Laszt? Oh … ertragbares Altertum. Einer der Tolerantesten der alten Schule.« Mahlberg meinte die Generationsgruppe der alten Luftwaffenpiloten. Sie hatten ihre Eigenheiten. »Ich kenne einen, der war beleidigt, wenn man nach dem Flug im Restaurant nicht das gleiche bestellte wie er. Ein Affront gegen seinen einzigartigen gastronomischen Geschmack. Ich hatte gewagt, T-bone-Steak zu nehmen, als er Schnitzel à la Holstein bestellte. Ich durfte das Steuer nicht mehr anrühren. Von der Kommißkoppvulgärterminologie, mit der diese Herren die Leistungen ihrer Novizen bedenken, gar nicht zu reden!«
    Seine Zuhörer sahen sich scheu um, ob keiner der Betroffenen in der Nähe war.
    »Wieso Laszt?« fragte einer der Piloten ihn. »Du fliegst mit Bloch.«
    Die Bombe schlug ein. Eberhard Mahlberg ging in die Knie.
    »Last Minute Change?«
    Alle nickten mitleidig: Änderung in letzter Minute.
    »Scheiße!« sagte Mahlberg vernehmlich. »Das war der mit dem Holstein-Schnitzel. Und das auf einem Eröffnungsflug!«

4
    Bloch setzte sich bequem zurecht und ließ die Einweisung anlaufen. Um den beruflichen Ernst des Vorhabens aufzulockern, hatte man als erstes Dia die hübsch gezeichnete Karikatur eines Kapitäns eingeschoben, mit der Unterschrift: Ich habe nur einen einzigen Fehler in meinem Leben gemacht – es war mein letzter. Dahinter die Konturen rauchender Flugzeugtrümmer. Diese Art von Humor mochte Bloch noch gerade, behaglich räkelte er sich zurecht, als stünde ein amüsanter Krimi im Abendprogramm bevor, fast bereute er, keine Knabbernüsse

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