Devil Riders 1 Herz im Sturm
habe dafür bezahlt, nach Lulworth gebracht zu werden.“ Sie klammerte sich an die Reling des schwankenden Schiffs und spähte verzweifelt in die Nacht hinaus. Die vorüberziehenden Wolken verdeckten den Mond, und Callie konnte nur weiße Schaumkronen und bedrohlich wirkende dunkle Klippen erkennen. Nirgends gab es ein Anzeichen von Leben, keine beleuchteten Gebäude oder Ansiedlungen.
War das überhaupt England? Sie hatte keine Ahnung. Es war mitten in der Nacht, und sie war unsanft aus einem unruhigen Schlaf geweckt worden. Die sieben Stunden davor hatte sie heftig unter Seekrankheit gelitten.
„Sie und der Junge sollen hier an Land gehen, Ma’am. Befehl vom Captain“, teilte ihr ein Matrose mit.
„Nicky!“ Wo steckte Nicky? Noch vor einem Moment war er bei ihr gewesen. „Wo ist mein Sohn?“
„Ich bin hier, Mama. Ich habe nur die Hutschachtel geholt.“ Der Siebenjährige stieg über ein paar Taue und eilte an ihre Seite.
Callie legte ihm die Hand auf die Schulter. Nicky war für sie das Wichtigste in ihrem Leben, der Grund, warum sie überhaupt hier war. „Ich habe nicht dafür bezahlt, hier abgesetzt zu werden“, teilte sie dem Matrosen in wie sie hoffte strengem Tonfall mit. „Lulworth ist eine kleine Stadt in einer geschützten Bucht „Also gut, Männer.“
Ehe sie sich’s versah, wurde sie von zwei kräftigen Seeleuten gepackt. „Was? Wie können Sie es wagen ..." Was ging hier vor? Man wollte sie doch nicht etwa über Bord werfen? Nicky ... Entsetzt und verzweifelt versuchte sie, zu ihm zu gelangen; sie kämpfte wie eine Wildkatze, trat um sich, schrie ...
„Den Jungen zuerst“, rief jemand. „Dann fügt sie sich eher.“
Sie wand sich heftig und sah gerade noch voller Schrecken, wie ein Matrose Nicky hochhob, als wöge er gar nichts. Er trug ihn zum Dollbord, hob ihn hoch und warf ihn über die Reling.
„Nicky!“ Jeder Kampfesmut verließ sie. Sie wehrte sich nicht, als die Männer sie ebenfalls über Bord hievten. Nicky. Sie bereitete sich innerlich auf das Eintauchen im Meer vor. Tod durch Ertrinken - lieber Gott, sollte sie Nicky tatsächlich so weit fortgebracht haben, nur damit er auf diese Art ums Leben kam?
Die Seeleute ließen sie los und sie fiel. Fiel und landete mit einem dumpfen Aufprall in einem kleinen, heftig schaukelnden Beiboot. Ein Matrose hielt sie fest, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor.
Nicky saß vorn im Bug, mit blassem, ängstlichem Gesicht -aber lebendig.
„Nicky, Gott sei Dank! “ Sie tat einen Satz über die hölzerne Sitzbank auf ihn zu. Das kleine Boot geriet gefährlich ins Schwanken.
„Setzen Sie sich hin, Miss! Ihretwegen ertrinken wir noch alle!“ Der Matrose packte sie am Arm und zwang sie, sich ins Heck zu setzen. Callie war wütend und hatte Angst, aber sie erkannte, dass sie keine andere Wahl hatte. Sie gehorchte, ließ Nicky jedoch nicht eine Sekunde aus den Augen. Die Wellen wurden höher und das Beiboot schwankte stärker. Callie konnte etwas schwimmen; Nicky nicht.
Was geschah mit ihnen? Panikerfüllt suchte sie mit den Blicken die Küste ab. Gedanken an Mädchenhändler, Strandräuber und noch Schlimmeres schossen ihr durch den Kopf. Sie wusste, es war ein Risiko gewesen, den wildfremden Kapitän eines Seelenverkäufers dafür zu bezahlen, sie über den Ärmelkanal zu bringen. Noch riskanter wäre es jedoch gewesen, das reguläre Postschiff von Calais aus zu nehmen, denn dann wären sie sicherlich gefunden und zurückgeschickt worden.
„Ich verlange, dass Sie uns umgehend wieder an Bord des Schiffes bringen!“, stammelte sie. „Das ist nicht Lulworth, und ich...“
Von oben wurde etwas gerufen, dann flog ihre Hutschachtel ins Beiboot. Der Matrose fing sie auf und reichte sie Nicky. Kurz darauf landete Callies Reisetasche in den Armen des Mannes.
Der Anblick ihres Gepäcks beruhigte sie seltsamerweise etwas. Vielleicht wurden sie und Nicky doch nicht wegen ihrer Habseligkeiten ermordet. Aber wo befanden sie sich nur? Was für eine Küste war das?
Der Matrose nahm die Ruder, das Beiboot setzte sich in Bewegung.
„Wohin bringen Sie uns?“
„Auf Befehl des Captain setze ich Sie dort am Strand ab, Ma’am. ’s kommt Sturm auf. “
„Aber Lulworth verfügt über einen geschützten Hafen. Dort wären wir sicher vor dem Sturm.“
„Es gibt Kontrolleure im Hafen von Lulworth, Ma’am. Der Captain hasst Kontrolleure.“
„Kontrolleure?“ Sie war so durcheinander, dass sie nicht vernünftig denken konnte.
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