Devil Riders 1 Herz im Sturm
„Aber ...“
„Befehl ist Befehl“, fiel ihr der Mann gleichgültig ins Wort und ruderte weiter.
Sie gab nach. Es hatte keinen Sinn, sich mit ihm zu streiten, er hörte ohnehin nicht zu. Er konzentrierte sich ganz aufs Rudern und sie sich darauf, sich festzuhalten. Das kleine Boot tanzte auf den Wellen wie eine Nussschale. Callie hatte ihre Reisetasche unter ihre Sitzbank geschoben und Nicky die Hutschachtel unter seine; sie brauchten beide Hände, um sich am Boot festzuklammern.
„Hier ist die Brandungslinie, Ma’am“, verkündete der Matrose nach ein paar Minuten. Das Boot schaukelte jetzt wild auf den Brechern. „Weiter nach vorn traue ich mich nicht. Sie müssen von hier aus durch das Wasser an den Strand waten.“
„Nein. Es ist zu tief und mein Sohn ...“ Ehe Callie ihn daran hindern konnte, hatte der Matrose Nicky ins Wasser gelassen. „Er kann nicht schwimmen!“, schrie Callie auf. Ohne zu zögern, schwang Callie sich über Bord und hangelte sich am Boot entlang, bis sie Nicky zu fassen bekam. Das Wasser reichte ihr bis zur Brust und war eiskalt. „Halt dich gut an mir fest, Nicky! Schling die Beine um meine Taille und die Arme ... ja, so ist es richtig.“
Nicky klammerte sich an sie wie ein kleines Äffchen. Er zitterte. „E...es ist so kalt, Mama!“
„Hier sind Ihre Sachen, Ma’am.“ Der Matrose reichte ihr die Hutschachtel.
Als ob ihr die Hutschachtel wichtig gewesen wäre - Nicky ging schließlich vor. Aber der Junge hatte während der ganzen Reise die Verantwortung für die Schachtel übernommen und nun streckte er die Hand danach aus. Außerdem enthielt sie wichtige Papiere und trockene Anziehsachen für Nicky. „Binde dir das Band ums Handgelenk, Nicky“, forderte Callie ihn auf. „Die Schachtel schwimmt auf dem Wasser, und durch die Ölhaut bleibt der Inhalt trocken.“
Das Boot trieb weiter auf sie zu. Vielleicht hatte der Matrose im Gegensatz zum Captain ja doch ein Gewissen; er befand sich jetzt ernsthaft in Gefahr zu kentern. Trotzdem schien er fest entschlossen zu sein, dafür zu sorgen, dass sie ihr Gepäck ausgehändigt bekamen. Er wartete, bis er sah, dass Nicky die Hutschachtel einigermaßen im Griff hatte. „Ihre Tasche, Ma’am.“ Der Matrose hielt ihr die Tasche hin. Eine Welle brach über Callie, und sie geriet ins Straucheln. Mit einer Hand nahm sie die Tasche entgegen, mit der anderen drückte sie Nicky fest an sich.
„Viel Glück, Ma’am.“ Das kleine Boot verschwand zügig in der Nacht.
„Aber wo sind wir hier?“, rief Callie ihm nach.
„Gehen Sie den Klippenpfad hoch und biegen Sie dann nach Westen ab, um nach Lulworth zu gelangen“, ertönte die Stimme des Matrosen aus der Dunkelheit.
„Ich weiß doch gar nicht, wo Westen ist!“, rief sie, aber der Wind riss ihr die Worte von den Lippen. In der Schwärze der Nacht konnte sie nicht einmal mehr das Boot ausmachen, geschweige denn das Schiff, mit dem sie Frankreich verlassen hatten.
„Westen ist da, wo die Sonne untergeht, Mama“, erklärte Nicky.
Callie hätte beinahe gelacht. Die Sonne war schon vor langer Zeit untergegangen, doch die Wellen trieben sie jetzt immer weiter auf den Strand zu. Der Wind wurde von Minute zu Minute stärker und drang schneidend durch ihre nasse Kleidung. Wenn ihr schon kalt war, wie sehr musste dann erst Nicky frieren?
Aber er war am Leben, und das war wichtiger als alles andere. Und sie waren in England. Trotz der Tatsache, dass sie völlig durchnässt war, fror und nicht wusste, wo sie sich befand, schöpfte sie neuen Mut. Sie hatte es geschafft!
Schließlich erreichten sie das flache Wasser, und sie stellte Nicky auf die Füße. Taumelnd und zitternd wateten sie an Land. Der Strand war übersät mit Steinen und zerbrochenen Muschelschalen; es war schwierig, im Dunklen voranzukommen. Callie hatte ihre Schuhe im Meer verloren; mehrmals stieß sie sich schmerzhaft die Zehen an. Es war ihr gleichgültig. Der Strand ... trockenes Land ... England.
„Komm, Liebling.“ Ihr war beinahe schwindelig vor Erleichterung. „Jetzt ziehen wir dir trockene Sachen an, danach machen wir uns auf die Suche nach diesem Pfad. Mit etwas Glück sind wir morgen zum Frühstück schon bei Tibby.“
„Ob es da Würstchen gibt, Mama?“, erkundigte er sich hoffnungsvoll mit klappernden Zähnen. „Englische Würstchen?“ Callie lachte erstickt auf. „Vielleicht. So, und nun beeil dich.“ Am Fuß der Klippe öffnete sie die Hutschachtel. Dank des Bezugs aus Ölhaut war darin
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