Dexter
Gesellschaft.
Chutsky reagierte nicht. Er starrte einfach in den Park, aus dem der Nachtwind weiterhin vereinzelte Klangfetzen des Gelages sowie das geistlose Hämmern der Musik herüberwehte.
»Chutsky«, sagte ich und spürte, wie echte Angst in mir aufstieg.
»Ich hab Mist gebaut.« Zu meinem Entsetzen rann eine Träne an seiner Wange hinab. »Ich habe Riesenmist gebaut. Ich habe sie im Stich gelassen, als sie mich am dringendsten gebraucht hat. Sie hätten sie umbringen können, und ich konnte sie nicht aufhalten, und …«
Er holte keuchend Luft. Er sah mich immer noch nicht an. »Ich hab mich selbst zum Narren gehalten, Kumpel. Ich bin zu alt für sie, ich bin weder für sie noch für irgendjemand anderen gut. Nicht mit …« Er hielt seinen Haken hoch, presste die Stirn dagegen, verharrte in dieser Haltung und starrte auf seinen künstlichen Fuß. »Sie will eine Familie, das ist mit einem Typ wie mir totaler Schwachsinn. Alt. Verkorkst. Verkrüppelt – und ich kann sie nicht beschützen, nicht mal … Sie braucht mich nicht. Ich nur ein nutzloser, ausgebrannter alter …«
Aus dem Park drang das schrille Gelächter einer Frau, und der Klang riss Chutsky in die Gegenwart zurück. Sein Kopf schnellte herum, er atmete tief durch, ein wenig ruhiger jetzt, und betrachtete dann Deborahs Gesicht. Er küsste ihre Hand, lange und mit geschlossenen Augen, dann stand er auf. »Fahr sie zur Notaufnahme, Dexter. Und sag ihr, dass ich sie liebe.« Damit marschierte er zu seinem Wagen.
»He«, rief ich hinterher. »Willst du nicht …«
Anscheinend wollte er nicht. Er ignorierte mich, stieg ein und fuhr davon.
Ich wartete nicht, bis seine Rücklichter in der Nacht verschwanden.
Ich schnallte Deborah so gut wie möglich auf dem Rücksitz an und stieg ein. Ich fuhr ungefähr zwei Meilen, weit genug, um in Sicherheit zu sein, dann hielt ich am Straßenrand. Ich griff nach meinem Handy, überlegte es mir anders und nahm stattdessen Chutskys vom Beifahrersitz, wohin Deborah es geworfen hatte. Sein Telefon war vermutlich vor netten kleinen Dingen wie einer Rufverfolgung geschützt. Ich wählte.
»Notrufzentrale«, meldete sich eine Stimme.
»Ihr solltet lieba ma fix ’n paa’ Jungs ins alte Buccaneer Land schicken«, sagte ich mit meinem besten ländlichen Akzent.
»Sir, welche Art von Notfall möchten Sie melden?«, fragte die Stimme.
»Ich bin Veteran. Zwei Touren im Irak, ich erkenn Schüsse, wenn ich welche hör, und das waren scheißsicher Schüsse in Buccaneer Land.«
»Sir, sagten Sie, Sie hätten Schüsse gehört?«
»Das is’ ma sicher. Ich bin rüber zum Kucken, und da liegen überall Leichen rum«, leierte ich. »Zehn, zwanzig Leichen, und die Leute tanzen da rum wie bei ’ner Party.«
»Sie haben zehn Leichen gesehen, Sir? Sind Sie sicher?«
»Und dann hat einer ein Stück abgebissen und gegessen, und ich bin ausgebüxt. Hab noch nie so was Scheußliches gesehn, und ich war in Bagdad.«
»Sie haben – die Leiche
gegessen,
Sir?«
»Am besten schicken Se das SEK , aber fix«, sagte ich, legte auf und ließ den Wagen wieder an. Vermutlich würden sie nicht alle im Park erwischen, die meisten jedoch schon, genug, um sich ein Bild von den Ereignissen zu machen, und das würde reichen, um Bobby Acosta festzunageln. Ich hoffte, dass Deborah sich dann wegen Samantha ein bisschen besser fühlen würde.
Ich nahm die I 95 Richtung Jackson. Andere Krankenhäuser lagen näher, aber als Polizist in Miami neigt man zum Jackson, das über eines der besten Traumazentren des Landes verfügt. Trotzdem Chutsky mir versichert hatte, dass die Untersuchung eine reine Vorsichtsmaßnahme war, hielt ich es für besser, wenn Experten sie vornahmen.
Weshalb ich, so schnell ich es wagte, nach Süden fuhr, zu Beginn noch in völliger Stille. Kurz vor der Abfahrt zum Dolphin Expressway hörte ich jedoch Sirenen, dann mehr Sirenen, und schließlich raste eine Reihe von Einsatzfahrzeugen – genug, um mit einer mittleren Invasion fertig zu werden – in der entgegengesetzten Richtung an mir vorbei. Ihnen folgte eine ähnliche Reihe von Übertragungswagen der lokalen Nachrichtensender – ebenfalls nach Norden, vermutlich zum Buccaneer Land. Kurz nachdem der Lärm verklungen war, hörte ich ein Rascheln vom Rücksitz und ein paar Sekunden später Deborahs Stimme. »Verdammt«, fluchte sie, nicht wirklich überraschende erste Worte, wenn man die Quelle bedachte. »Oh, verdammt.«
»Alles ist gut, Deborah«, sagte
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