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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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seiner Stahlklaue –, verteilte ihr Gewicht neu und sagte dann: »Klar, gehen wir«, worauf wir über das Fallreep vom Schiff hasteten.
    Das Fallreep erwies sich als ein wenig schwierig, zumal Chutsky Deborah mit seiner richtigen Hand festhielt und ihm so nur der Haken blieb, um sich an das Seil zu klammern. Aber wir schafften es, und sobald wir die
terra firma
erreicht hatten, eilten wir zum Tor.
    Ich fragte mich, ob ich Samanthas wegen ein schlechtes Gewissen haben sollte. Eigentlich glaubte ich nicht, dass ich etwas hätte tun können, um sie zu retten – es war mir ja nicht einmal gelungen, mich selbst zu retten, was wesentlich höhere Priorität besaß –, aber ich fand es ein wenig unschön, ihre Leiche zurückzulassen. Vielleicht lag es an dem ganzen Blut, das mich ja stets sehr nervös macht. Oder daran, dass ich meine Reste immer so säuberlich entsorgte. Mit Sicherheit lag es nicht daran, dass ich ihren Tod als unnötig oder tragisch erachtete – weit gefehlt. Ich empfand es als große Erleichterung, sie aus dem Weg zu wissen, ohne dass ich dafür die Verantwortung trug. Es bedeutete, dass ich aus dem Schneider war; dass ich keine Konsequenzen tragen musste und dass mein Leben in seine gut geölten, komfortablen Bahnen zurückkehren konnte, ohne dass ich einen weiteren Gedanken an frivole Gerichtsprozesse verschwenden musste. Nein, insgesamt gesehen war es ausgezeichnet, dass sich Samanthas Traum erfüllt hatte, zumindest zum Teil. An mir nagte nur, dass ich den Wunsch verspürte zu pfeifen, was mir nicht ganz richtig erschien.
    Und dann ging mir ein Licht auf – ich hatte Schuldgefühle! Ich, der zutiefst tote Dexter, König der Fühllosen! Ich schwelgte in der seelenvernichtenden, zeitverschwendenden, ultimativen menschlichen Maßlosigkeit – Schuld! Und nur, weil ich überzeugt war, dass das unzeitige Ende einer jungen Frau meinen egoistischen Interessen äußerst dienlich war und ich deshalb heimlich Glück empfand.
    Hatte ich mir schließlich doch eine Seele wachsen lassen?
    War aus Pinocchio ein richtiger Junge geworden?
    Das war lächerlich, unmöglich, undenkbar – und doch kam mir der Gedanke. Vielleicht stimmte es – vielleicht hatten die Geburt Lily Annes und meine Existenz als Dex-Daddy und all die anderen unwahrscheinlichen Ereignisse der letzten Wochen dem Dunklen Tänzer endgültig den Garaus gemacht. Vielleicht hatten sogar die letzten Stunden betäubender Angst unter dem reptilienhaften Starren von Alanas toten blauen Augen geholfen, aus der Asche einen Samen keimen zu lassen. Vielleicht war ich jetzt ein neues Wesen, bereit, zu einem zufriedenen, fühlenden Menschen heranzuwachsen, jemand zu werden, der lachen und weinen konnte, ohne sich zu verstellen, der einen Film sehen konnte, ohne sich heimlich auszumalen, wie die Schauspieler an einen Tisch gefesselt aussehen würden – war das möglich? War ich der neugeborene Dexter, endlich bereit, seinen Platz in der Welt realer Personen einzunehmen?
    Der Gedanke faszinierte mich, und wie jede Nabelschau hätte er mich fast umgebracht.
    Während ich mich blind anstaunte, hatten wir den Park bis zur Gokart-Bahn durchquert, und ich lief ein kurzes Stück vor den anderen her, wegen meiner lächerlichen Selbstvergessenheit blind für alles andere. Ich glitt um den Schuppen am Rand der Bahn und wäre beinahe auf zwei feierwütige Piraten getreten, die auf dem Boden knieten und versuchten, ein dreißig Jahre altes Kart in Gang zu setzen. Sie sahen zu mir auf und blinzelten dümmlich. Neben ihnen auf dem Boden standen zwei große Becher Bowle.
    »He«, rief der eine plötzlich, »das ist das Fleisch.« Er langte in seinen leuchtend roten Piratenbeutel, aber wir werden nie erfahren, ob er eine Waffe oder ein Kaugummi herausholen wollte, weil zu meinem Glück Brian noch rechtzeitig um den Schuppen trat und ihn erschoss, worauf Chutsky erschien und dem anderen so schwungvoll gegen die Kehle trat, dass ich das Knacken hören konnte und er gurgelnd nach hinten überkippte und seine Luftröhre umklammerte.
    »Gut«, sagte Brian mit einem fast liebevollen Blick auf Chutsky. »Wie ich sehe, bist du nicht nur eine Augenweide.«
    »Ja, ich bin klasse, oder?«, knurrte Chutsky. »Echt brauchbar.« Für jemanden, der eben erst unverletzt einer Kannibalenorgie entronnen war, klang er ein wenig niedergeschlagen, aber vielleicht hatten Elektroschocks diese Auswirkung auf den Gefühlshaushalt.
    »Ehrlich, Dexter«, mahnte Brian. »Du musst wirklich

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