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DGB 06 - Gefallene Engel

DGB 06 - Gefallene Engel

Titel: DGB 06 - Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitchel Scanlon
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Abschieds-rede mit
anhört, geht gegenüber dem Toten eine Verpflichtung ein. Eine Tradition, musst
du wissen.«
    Zahariel nickte und war ganz
auf Amadis konzentriert, der ihm die Pistole hinhielt. »Nimm sie«, sagte Amadis
und verzog das Gesicht. »Sie gehört dir. Ich möchte, dass du sie an dich
nimmst.«
    »Das kann ich nicht«, wehrte
Zahariel mit Tränen in den Augen ab.
    »Das musst du. Es ist mein
Wunsch, dass du sie bei dir trägst«, keuchte Amadis. »Sie ist mein Vermächtnis an
dich. Denk an mich, wenn du sie abfeuerst. Denk an das, was ich dir beigebracht
habe.«
    »Das werde ich«, versprach
Zahariel und nahm die blut-verschmierte Waffe an sich. Sie fühlte sich schwer an,
viel schwerer, als man es bei einer simplen Kombination aus Metall und Holz
hätte glauben wollen.
    Auf ihr lastete aber auch die
Verantwortung, die Verpflichtung gegenüber dem ehrbaren Krieger, der sie vor
ihm getragen hatte.
    »Es ist eine gute Waffe ... hat
mich nie im Stich gelassen«, röchelte er.
    »Und das wird jetzt auch nicht
mehr passieren, nicht wahr?«
    »Nein«, antwortete Zahariel,
der mit einem Mal sehr deutlich merkte, wie unheimlich still es ringsum
geworden war.
    »Verdammt, ich spüre keinen
Schmerz ... das kann nichts Gutes bedeuten, wie?«
    »Es bedeutet, dass das Ende nah
ist«, erwiderte Lord Cypher.
    »Hatte ich mir schon gedacht«,
meinte Amadis und nickte schwach. »Verdammt. Die Bestie von Endriago hat mich
mit ihren Klauen erwischt ... ein calibanischer Löwe ... dachte, es wäre nur
einer von der Sorte ...«
    »Ein calibanischer Löwe?«,
fragte Zahariel.
    »Ich dachte, Lord Jonson hätte
den einzigen Löwen erlegt.«
    »Ich wünschte, das hätte er
...« Amadis verzog das Gesicht.
    »Dann würde ich jetzt nicht
hier liegen ... Ich wünschte nur ...«
    Was sein letzter Wunsch war,
sollte für alle Zeit ein Rätsel bleiben, denn in diesem Moment wurden seine Augen
glasig, dann kam ein letzter Atemhauch über seine Lippen.
    Zahariel ließ den Kopf sinken
und vergoss bittere Tränen über den Tod seines großen Helden. Mit beiden Händen
hielt er die Pistole fest und dachte voller Zorn daran, dass die Bestie, die
den Mann auf dem Gewissen hatte, noch lebte und sich nach wie vor im dunklen Wald
herumtrieb.
    Lord Cypher drückte sanft eine
Hand auf das Gesicht des Ritters, um dessen Augen zu schließen.
    »Und so geht Bruder Amadis von
uns«, sagte er ernst.
    Als Lord Cypher seine knorrigen
Finger auf Zahariels Schulter legte, sah der zu ihm hoch.
    »Das ist mehr als nur eine
Waffe, Junge«, erklärte er und deutete auf die Pistole. »Es ist die Waffe eines
Helden. Sie besitzt ein Gewicht und eine Kraft, die deine eigene Pistole nicht
vorweisen kann. Du musst diese Waffe in Ehren halten und den Mann ehren, der
sie dir vermacht hat.«
    »Das werde ich ganz sicher, Lord
Cypher«, gab Zahariel zurück.
    »Daran müssen Sie nicht
zweifeln.«
    Lord Cypher kniff die Augen
zusammen, als er den entschie-denen Unterton aus den Worten des Jungen
heraushörte. »Nein«, sagte er kopfschüttelnd. »Zorn und Trauer beeinflussen
dein Urteilsvermögen. Sag es nicht, denn wenn du es aussprichst, kann es nicht
zurückgenommen werden.«
    Aber Zahariel wollte sich nicht
von seinem Vorhaben abbringen lassen, während er mit der blutigen Waffe in
Händen dastand und sie an die Brust drückte. »Lord Cypher«, verkündete er.
    »Hiermit erkläre ich, dass ich die
Bestie von Endriago jagen werde.«
     
    »Du hättest so etwas nicht
erklären sollen«, hielt ihm Nemiel vor.
    Noch drei Nächte lagen vor ihm,
bevor Zahariel aufbrechen würde, um die Bestie zu finden und zu töten. Da sie
wussten, dass er die nächsten beiden Tage und Nächte mit Meditation verbringen
wollte, hatten seine Kameraden diesen Zeitpunkt gewählt, um zu seinen Ehren ein
Festmahl zu veranstalten.
    Es gab Essen und Wein, und
Meister Ramiel hatte ihnen erlaubt, das Ganze in den Höhlen unter Aldurukh stattfinden
zu lassen.
    Fackeln beleuchteten die lange Tafel,
die sie aus dem Speisesaal nach unten getragen hatten.
    Der Schauplatz entsprach laut
Lord Cypher durchaus den Gebräuchen, denn wenn Zahariel mit seiner Jagd erfolgreich
sein sollte, würde er von einem Leben in einem anderen wiedergeboren werden,
und aus dem Jungen würde ein Mann.
    »Genau genommen«, hatte Lord
Cypher gesagt, »befindest du dich momentan zwischen Leben und Tod, denn deine
Seele verharrt in der Unterwelt, bis die Entscheidung über deinen künftigen
Status gefallen ist.«
    Zahariel

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