DGB 07 - Legion
sagte er.
John Grammaticus lächelte.
»Hallo Peto. Ist es schon wieder
ein neuer Tag?«
»Ja, das ist es«, erwiderte
Peto Soneka und stellte die Tasche auf den Stahltisch.
»Soll man gar nicht meinen«,
gab Grammaticus formvollendet zurück. Es hatte sich zu einem Ritual zwischen
ihnen entwickelt, das von Tag zu Tag nur minimal variierte und ein Zeichen der
Kameradschaft war.
Die Zelle war schlicht, aber
groß genug, damit ein Mann seine Zeit damit vergeuden konnte, darin auf und ab
zu gehen. Ein Feldbett, zwei Stühle, der Tisch, ein Waschbecken und eine
chemische Toilette stellten die gesamte Einrichtung dar. Es gab kein Fenster,
und das Licht brannte rund um die Uhr. Nach wochenlangen leisen Beschwerden
hatte man ihm endlich eine Schlafbrille zugestanden, damit er wenigstens so tun
konnte, als sei Nacht.
Soneka schloss nie hinter sich
die Luke. Die blieb während der Dauer seines Besuchs geöffnet und bildete so
eine qualvolle Verlockung. Ein absichtlicher psychologischer Effekt, wie er
vermutete. Soneka schloss die Luke nicht, weil man ihn angewiesen hatte, das so
zu machen.
Die wiederaufbereitete Luft,
der hartnäckige Geruch nach Toilette und das schlechte Licht machten die Zelle zu
einem unangenehmen Ort. Aber trotz dieser Umgebung, in der er seine Zeit
verbringen musste, präsentierte sich Grammaticus stets gewaschen und ordentlich
gekleidet. Sie gaben ihm alle drei Tage frische Kleidung, und er wusch sich am
Becken. Sein Bart war buschig und grau und verlieh ihm etwas Erhabenes, so als
sei er ein alter General. Einen Rasierer hatten sie ihm nicht gegeben.
Soneka öffnete die Tasche und
holte den Inhalt heraus.
»Was haben wir denn heute?«,
fragte Grammaticus mit aufge-setzter Fröhlichkeit.
»Kaltes Fleisch und Käse«,
sagte Soneka, während er die in Wachspapier gewickelten Päckchen aus der Tasche
nahm.
»Ein Glas mit eingelegten
Kapern, eine Flasche Wein, ein Laib Brot und die üblichen Vitamine als Nahrungsergänzung.«
»Ein wahres Festmahl«, befand
Grammaticus.
»Der Käse ist besonders
willkommen«, stimmte Soneka ihm zu.
Sie setzten sich an den Tisch
und verteilten das Essen. Soneka holte zwei Teller, zwei Tassen, zwei
Schüsseln, zwei Messer und zwei Löffel aus der Tasche, die er dann auf den
Boden stellte.
Grammaticus nahm eines der
Messer, um das mit einer dicken Rinde umgebene Stück Käse zu teilen. Soneka
entkorkte die Weinflasche und schenkte in die bereitgestellten Becher ein. Wie
bei einem alten Ehepaar saß auch bei ihnen jede Bewegung und jeder Handgriff,
da der eine intuitiv wusste, was der andere im nächsten Moment tun würde. So
etwas kam dabei heraus, wenn man fünf Monate lang jeden Tag beim Essen
zusammensaß.
»Hast du gut geschlafen?«,
fragte Soneka und gab ihm einen der Becher.
»Peto, ich habe schon seit
tausend Jahren nicht mehr gut geschlafen«, erwiderte Grammaticus. »Aber ich will
mich nicht beklagen. Ich habe Grund zu der Annahme, dass meine Mission bald
erfüllt sein wird.«
»Tatsächlich?«
Grammaticus biss vom Brot ab,
nippte am Wein und stellte den Becher in die Tischmitte. Dann zeigte er darauf.
»Was ist?«, fragte Soneka,
während er eine Scheibe Käse auf sein Brot legte.
»Die Ringe, Peto. Die Ringe.«
Weit entfernte Vibrationen, zu
schwach, um sie spüren zu können, wurden vom Deck auf den Tisch und von dort
auf den Becher übertragen. Winzige konzentrische Kreise breiteten sich wie ein
Sensormuster auf der Oberfläche des Weins aus.
»Die Antriebsfrequenz hat sich
verändert«, sagte Grammaticus.
»Ich glaube, der Antrieb
arbeitet anders, um unsere Geschwindig-keit zu verzögern.«
Soneka aß ein paar dicke Kapern
und nickte grinsend.
»Wir werden in der nächsten
Stunde überwechseln. Dir entgeht auch so gut wie nichts, wie, John?«
Grammaticus kaute auf seinem
Brot und zog ironisch die Augenbrauen hoch.
Nachdem sie gegessen hatten,
packte Soneka alles wieder in die Tasche und nickte Grammaticus zum Abschied
zu. Während er die Luke schloss, sah er, wie Grammaticus ihm von seinem Platz
am Tisch aus nachstarrte.
Soneka spürte, wie sich erneut
dieses abgrundtiefe Gefühl von Einsamkeit einstellte, kaum dass die Luke geschlossen
war. Auch wenn er Grammaticus im eigentlichen Sinn nicht als Freund bezeichnen
konnte, kam der Agent der Kabale einer echten menschlichen Gesellschaft näher
als alles andere, was er im letzten halben Jahr erfahren hatte.
Von Astartes umgeben zu leben,
war eine seltsame Erfahrung, doch daran war
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