DGB 08 - Am Abgrund
Novize, »und dadurch geschwächt werden. Wo ist dann aber diese
Macht?«
Im Dämmerlicht konnte er Bruder
Ultis erkennen, einen wissbegierigen Jungen mit ehrgeizigem Temperament.
»Das ist die Quelle der wahren
Macht, Novize, denn es existiert keine größere Rivalität als die zwischen
Geschwistern. Nur dann wird der eine versuchen, die Leistungen des anderen zu
übertreffen, und das mit solcher Vehemenz, dass er seine ganze Energie ins
Spiel bringen wird, um den Sieg für sich zu beanspruchen«, erwiderte Zadkiel
arrogant, da ihm das Gefühl der Überlegenheit nur zu gut gefiel. »Um die
Oberhand zu gewinnen, wird dieser Bruder eine mächtige Armee um sich scharen,
damit er den anderen Bruder niederringen kann. Er hat tief in sein Inneres
geschaut und seinen Hass entfesselt, weil ein solcher Sieg auf eine andere
Weise nicht errungen werden kann.«
»Dann sprechen Sie also von
Hass«, folgerte Ultis, »und gar nicht von Bruderschaft.«
Zadkiel rang sich ein Lächeln
ab, um seine Ungeduld zu überspielen. »Hass und Bruderschaft sind die zwei
Schwingen ein und desselben Adlers, gleichwertige Elemente aus der gleichen
Quelle«, erläuterte er. »Wir befinden uns im Krieg mit unseren Brüdern, das
muss jedem von uns klar sein. In seiner kurzsichtigen Denkweise hat der Imperator
uns dieses unausweichliche Schicksal gebracht. Mit unserem Hass und unserer
Hingabe zu den Credos unseres Primarchen, des allmächtigen Lorgar, werden wir
unseren Sieg erringen.«
»Aber der Imperator ist auf
Terra, und darin liegt doch sicherlich Kraft«, hielt Ultis dagegen und vergaß
sich für einen Moment.
»Der Imperator ist niemandes
Bruder!«, brüllte Zadkiel und trat vor, während seine Worte Ultis' Einwände
mühelos abschmet-terten.
Eine Zeit lang herrschte
Stille, während Ultis nach dieser Zurechtweisung durch seinen Meister kleinlaut
auf seinen Platz zurückkehrte. Niemand sprach ein Wort, alle standen unter dem
Eindruck der Macht, über die Zadkiel verfügte.
»Er lauert in den Verliesen auf
Terra«, fuhr Zadkiel mit noch größerem Eifer fort, wandte sich zugleich aber
auch an alle Versammelten. »Die Eintreiber und die Bürokraten, der Schwarm von
Malcador, der Terras Regentschaft leitet, sie alle scheuen zurück vor dem Band
der Bruderschaft. Sie sitzen auf einem Podest, erhaben über jede Kritik, über ihre
Brüder und sogar über unseren edlen Kriegsmeister!« Die Menge brüllte
zustimmend, auch Ultis, der sich wieder hingekniet hatte.
»Ist so etwas Bruderschaft?«
Wieder brüllten die Novizen und
schlugen dabei mit dem Panzerhandschuh auf die Brustplatte ihrer Rüstung, um
ihren Eifer zu unterstreichen.
»Diese Regenten schaffen eine
fade, bedeutungslose Welt, in der alle Leidenschaft tot ist und Hingabe als
Ketzerei angesehen wird!« Zadkiel spie diese Worte aus, und auf einmal wurde
ihm bewusst, dass sich im Schatten hinter ihm jemand aufhielt.
Ein Crewmitglied der Tosender
Abgrund wartete geduldig, dass sich Zadkiel ihm zuwandte. Es handelte sich
um Steuermaat Sarkorov, einen Mann mit feingliedrigen Datensonden anstelle von
Fingern.
»Ich bitte um Entschuldigung,
Lord«, sagte er, als er die wenigen Meter Distanz zwischen ihnen zurückgelegt
hatte, »aber Navigator Esthemya hat eine Flotte von Vektoren entdeckt, die
unserem Kurs folgen.«
»Was für eine Flotte?«
»Zwei Kreuzer, ein
Eskortgeschwader und ein Angriffsschiff der Astartes.«
»Hm, verstehe.« Dann wandte er
sich der Versammlung zu und sagte völlig unfeierlich: »Novizen, wegtreten.«
Die Word Bearers zogen sich
schweigend in die Schatten zurück, um sich wieder in ihre Zellen zu begeben, wo
sie über das Wort nachdenken konnten.
»Sie kommen allmählich näher,
Milord«, fuhr Sarkorov fort, als sie beide allein waren. »Wir sind mächtig,
aber diese Schiffe sind kleiner und uns überlegen, was die Fluggeschwindigkeit
angeht.«
»Dann werden sie uns eingeholt
haben, noch bevor wir den Tertiärtransit erreichen.« Es war eine Aussage, keine
Frage.
»Das werden sie, Milord. Soll
ich den Magos anweisen, den Antrieb auf maximale Leistung hochzufahren? Es ist
denkbar, dass wir es in den Warp schaffen, bevor sie uns abfangen können.«
»Nein«, erwiderte Zadkiel,
nachdem er kurz überlegt hatte. »Kurs beibehalten, und halten Sie mich auf dem
Laufenden, wie weit die Flotte noch entfernt ist.«
»Ja, mein Herr«, bestätigte
Sarkorov und salutierte, dann machte er auf dem Absatz kehrt, um zur Brücke
zurückzukehren.
»Lord Zadkiel«,
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