DGB 13 - Nemesis
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Rei hatte schlichtweg kein Interesse daran. Der Direktor der Oper wiederum war
zweifellos in Sorge, weil er nach dem Grund suchte, der den kapekanischen
General veranlasst hatte, ausgerechnet diesmal die Einladung wahrzunehmen, die
er bislang jedes Mal ausgeschlagen hatte —, aber allein des Anstands wegen
musste sie ein paar Belanglosigkeiten austauschen.
»Milord Rei?« Er drehte sich zu
dem Diener um, der sich ihm näherte, einem jungen Mann in der Saros-Livree, der
ihn abwartend ansah. Nervös ging er um die Grasader herum und überreichte dem
Mech-Lord eine Karte, womit er einen gravierenden Fehler beging. Der Diener
wartete nicht, bis er angesprochen wurde, sondern streckte einfach die Hand
aus, in der er die Karte hielt.
Mit einem leisen hydraulischen
Zischen stellte sich Reis Adjutant dem Diener in den Weg und brach dem Mann mit
einem Griff das Handgelenk, dessen Knochen feucht knackten. Der Diener wurde
bleich vor Entsetzen und wankte nach hinten. Hätte die Maschine ihn nicht
weiter festgehalten, wäre er zweifellos zu Boden gesunken.
»Was ist das?«, wollte Rei
wissen. Unter Schmerzen presste der Diener heraus: »Eine ... eine Nachricht für
Sie, mein Herr ...«
Er keuchte und sah den
Mech-Lord flehend an. »Bitte, ich habe nur getan, was die Dame ... mir
aufgetragen hat ...«
»Die Dame?« Rei wurde
hellhörig, sein Herz begann schneller zu schlagen. »Gib her.«
Sein Adjutant nahm die Karte an
sich und hielt sie an die verchromten Lippen, dann leckte er mit seiner
erschreckend menschlich wirkenden Zunge über die Karte, hielt kurz inne und
reichte sie dann seinem Meister weiter. Hätten sich auf der Oberfläche
irgendwelche Kontaktgifte befunden, wäre die Karte sofort vernichtet worden.
Der Mech-Lord kämpfte gegen ein
Zittern in seinen Fingern an, als er die ausholende, fließende Handschrift
begutachtete. Auf der Vorderseite stand nur »Kommen Sie zu mir«, auf der
Rückseite entdeckte er eine Adresse, die auf eines der Apartments hinwies, die
für die Darsteller des Opernhauses reserviert waren.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte
der Direktor, der ihn mit besorgter Miene ansah.
Rei drückte dem Mann das nur
zur Hälfte ausgetrunkene Glas Brandy in die Hand, dann ging er fort.
Seine Roboter folgten ihm, und
zurück blieb der Diener, der vor Schmerzen auf die Knie sank und sein
zerquetschtes Handgelenk umklammert hielt.
Die Apartments lagen nur eine
kurze Fahrt im Pneu-Wagen entfernt, der sich dafür drei Ebenen nach oben
bewegen musste, um auf die exklusivsten Wohndecks der Saros-Station zu
gelangen.
Rei besaß seine eigene
Orbitalanlage bei Callisto, hier dagegen verfügte er über keine eigenen
Räumlichkeiten. Aber er hatte bei seinen zahlreichen früheren Affären oft genug
diese Ebenen aufgesucht, sodass er genau wusste, wohin er musste.
Die Anwesenheit seiner Manipel
sorgte dafür, dass ihn niemand aufzuhalten wagte, und dann hatte er auch schon
die richtige Tür erreicht. Sein Adjutant klopfte an, und geräuschlos arbeitende
Servos öffneten die Tür.
Von drinnen war eine Stimme mit
seidenem Klang zu vernehmen.
»Kommen Sie.«
Rei machte einen Schritt nach vorn,
dann aber zögerte er. Sein Puls raste wie bei einem aufgeregten Jugendlichen,
der sich im Bann seiner ersten Verliebtheit befand.
Obwohl er dieses Gefühl genoss,
musste sich Rei dennoch eingestehen, dass er immer noch der Mann war, der er
nun einmal war ein Mann nämlich, der grundsätzlich erst einmal allem und jedem
misstraute. Schon früher hatten seine Feinde versucht, Frauen als Waffen gegen
ihn zu benutzen, und er hatte all ihr Listen vereitelt. War dies hier ein
weiterer Versuch in dieser Richtung? Seine Kehle war mit einem Mal wie
ausgedörrt, während er inständig hoffte, es möge nicht so sein.
Diese eigenartige flüchtige
Verbundenheit, die er zu der Schauspielerin empfand, wirkte auf ihn so echt.
Der Gedanke, das alles könnte nur geschaffen worden sein, um ihn zu verletzen,
versetzte ihm einen Stich ins Herz.
Einen Moment lang verharrte er
unschlüssig auf der Türschwelle, dabei spielte er mit dem Gedanken,
kehrtzumachen und mit dem Pneu-Wagen zurück zu den Docks zu fahren, zu seiner
Yacht, um nach Hause abzureisen und nie wieder herzukommen.
Doch diese Überlegung genügte,
um ihn schon jetzt bereuen zu lassen, dass er so etwas auch nur in Erwägung
gezogen hatte.
»Milord?«, fragte die Frau,
deren Ton seine eigenen Fragen und Ängste exakt widerspiegelte. Sein Adjutant
ging vor, Rei
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