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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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ich hätte ein Nest. Hatte ich aber nicht. Ich möchte einfach Ruhe haben, versteht ihr.«
    »Wenn du bleiben willst«, sagte Kid zu Lanya, als sie gehen wollte, »geh doch einfach in das Hochbett zurück. Da stört dich keiner.«
    Sie streichelte seinen Nacken. »Ich muß vor der Schule noch einiges erledigen. Gib dem kleinen Bruder einen Kuß von mir.«
    Doch er brachte sie nach Hause. Er war ziemlich sicher, daß sie noch zwei Stunden ungestörten Schlaf wollte. Er fragte: »Kommst du heute abend wieder?«
    Sie drückte seine Hand. »Nein. Ihr beide könnt bei mir vorbeikommen, wenn ihr Zeit habt. Für ein paar Stündchen.« Wieder drückte sie seine Hand.
    Diese Geste wurde zu einem Symbol für ihren nervösen Charme.
    An diesem Tag verkündete die Zeitung:
    Sonntag, der 14. Juli 1776.
    Die Nacht verbrachten sie bei Lanya.
    Am nächsten Tag:
    Sonntag, der 16. Juni 2001.
    An jenem Nachmittag hockte der gummireifenfarbene Jack the Ripper vor dem offenen Eisschrank, dessen Licht gerade ausgegangen, der vollgestopft war, und dessen Emaillierung fleckig und streifig aussah, blickte hoch und fragte: »Sag mal, wann gehen wir denn auf einen Run?«
    »Genau jetzt!« Beginn, Impuls und Entschluß lagen zwischen Kids erstem und dem zweiten Wort fest. Kid umkrallte den Türpfosten, beugte sich in das nächste Zimmer und rief: »WIR GEHEN AUF EINEN RUN!«
    D-t, Spinne, Angel und Priester versammelten sich im Flur. California schälte sich schnell aus einem Schlafsack neben dem Sofa.
    Rabe, Glas und Lady of Spain kamen in die Küche. Spitt drängelte sich durch die Skorpione vor der Tür. Sie schwankten, kamen auf die Füße und sahen betreten ernsthaft aus.
    »Kommt«, sagte Denny, als die anderen die Vordertreppe hinabstampften. »Hey, du! Kommst du? Komm raus.«
    Innerhalb des Hauses war es ihnen fast gelungen, sich eine lichte Stadt vorzustellen. Jetzt sahen katatonische Fenster ihrem Marsch zu. Ihre Stiefel knirschten und stampften über das Pflaster. Sie rannten mit gesenkten Brauen, starrten darunter her, blickten nach rechts und links in gesichtslose Avenuen.
    Kid erinnerte sich später, daß das Fenster der Second City Bank zu Bruch ging.
    Jack the Ripper tanzte auf den Scherben und lachte meckernd: »Mann, jetzt stürmen wir Niggertown!«
    Taten sie nicht.
    Sie wühlten und stocherten unter den Papieren, Akten und Rechenmaschinen herum. Copperhead warf einen Schreibtisch um und sah ihn, schwer atmend, eine volle Minute lang an.
    Sie fanden weder Geld noch verschlossene Safes; die einzigen Gegenstände in den Geldschubladen waren Papierschnipsel, gummierte Aktendeckel und Gummibänder.
    Kid kletterte zurück über die Messingstange am Kassenhäuschen (oben war ein Streifen schmutziger Schmiere; jetzt war der größte Teil davon an seinen Händen), sprang auf tönenden Marmor und ging auf eine Gruppe zu, die ihm den Rücken wandte. Zwischen Tarzan und Dreigroschen drängelte er sich durch.
    Mit dem Knie auf dem Kissen stieß Dollar (unter scharfen, flachen Atemzügen) eine Orchideenklinge in den Lederstuhl und riß mit der zitternden Käfighand daran. Füllung quoll heraus. Mit der Zungenspitze zwischen den Zähnen stieß er wieder zu und schlitzte weiter.
    Priester schnüffelte und nahm die Hände aus den Taschen.
    Bohnenstange versuchte, sich nicht zu räuspern.
    Als sie nach Hause gingen, versuchte Kid sich zu erinnern, was bei Alptraums Run auf Emboriky passiert war. Kid bemerkte in der schwarzen Gruppe neben ihm den blonden Tarzan als Mittelpunkt. Rabe, den Arm um Tarzans Schulter gelegt, sagte: » . . . deine Schwester? Mann, hast du eine hübsche Schwester. Tarzan, du hast ungefähr die hübscheste Schwester, die ich jemals gesehen habe. Du mußt mich mit deiner Schwester zusammenbringen. Oooooooo-wheee!« Bei »Wheee« stieß er sich zwischen die Jeansbeine, daß Tarzan beinahe umgefallen wäre.
    »Was redet ihr da über seine Schwester?« fragte Lady of Spain.
    »Ach, Shit!« rief Rabe über die Schulter, wobei jedes Haar von ihm zitterte. »Tarzan und ich sind Freunde. Stimmt's, Tarzan?«, der über den Arm unter seinem Kinn hinweggrinste.
    »Tarzan«, grunzte Glas Kid zu, »und die bumsenden Affen.«
    »Hey!« Jack the Ripper stieß an Glas' Schulter. »Wer ist der bumsende Affe, Nigger?«
    Aber als Kid und Glas sich umsahen, schleuderte Ripper beide Beine von sich, schlug mit den Armen Kreise und begann zu tanzen und zu stöhnen. Ketten flogen um seinen Kopf. Hin und wieder blieb er stehen, um sich

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