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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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knorrige halbverfaulte Wurzel geflochten. »Häßliches Ding«, nannte er es, doch nicht ihnen gegenüber. »Ich hoffe, ich brauch' dich nicht.«
    »Das hoffe ich auch«, sagte eine von oben. »Du kannst es vielleicht jemand anderem geben, wenn du gehst.« »Yeah.« Er stand auf. »Klar.« »Wenn er geht«, sagte eine andere und lachte. »Hey, wir gehen jetzt besser.«
    »Ich habe ein Auto gehört. Wir müssen wahrscheinlich sowieso lange warten. Wir sollten uns auf den Weg machen.«
    Die aus dem Süden: »Hörte sich nicht so an, als würden wir überhaupt hier wegkommen.«
    »Laßt uns gehen. Hey, mach's gut.«
    »Macht's gut!« Die Strahlen verteilten sich. »Und Danke!« Artischocken? Doch er konnte sich nicht erinnern, wieso dieses Wort so klar vor ihm stand. Er reckte die Orchidee hinter ihnen hoch. Seine knorrige Hand in Klingen gebettet hob sich gegen den glitzernden Fuß ab, der sich zwischen den Brückenpfeilern dahinzog. Als er sie gehen sah, fühlte er einen Anflug von Begierde. Nur eine ihrer Taschenlampen war eingeschaltet. Dann schob sich eine vor das Licht. Man hörte Schritte auf Metallplatten; ein verwehendes Lachen, Rascheln ...  
    Er ging weiter und hielt die Hand von sich gestreckt.
    Dieser glühende Abend würzt die Nacht mit Erinnerung an Regen. Nur wenige wissen von der Existenz dieser Stadt. Es ist, als ob nicht nur die Medien, sondern auch die Gesetze der Wahrnehmung selber sich neu geformt hätten, um sie nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen. Gerüchte besagen, daß es hier so gut wie keine Energie gibt. Weder funktionieren Fernsehkameras noch Radiosender: Klar, daß eine solche Katastrophe undurchsichtig und von daher für eine elektrifizierte Nation langweilig ist! Es ist die Stadt innerer Zwietracht und der optischen Verzerrungen.
     
     
     
    3
     
    Hinter der Brücke war das Pflaster aufgerissen.
    Eine brennende Straßenlampe beleuchtete fünf weitere, erloschen - zwei mit zerbrochenen Glühbirnen. Er kletterte auf eine zehn Fuß lange, aufgeworfene Asphaltplatte, die einmal unter ihm nachgab und wie ein lebendiges Wesen knurrte. Er sah, wie Steinchen vom Rand herunterfielen, hörte sie auf Rohre aufschlagen und dann irgendwo in die Dunkelheit spritzen ... Er dachte an die Höhle und sprang auf ein massiveres Stück, dessen Spalten und Ritzen mit Grasbüscheln ausgefüllt waren.
    In keinem der nahe liegenden Gebäude war Licht, doch in den Straßen unten am Wasser, hinter den Rauchschwaden - war das Feuer? Da er sich an den Geruch schon gewöhnt hatte, mußte er tief einatmen, um es wahrzunehmen. Der Himmel war verhangen. Gebäude ragten hoch auf und verschwanden im Dunst.
    Licht?
    Zehn Minuten lang untersuchte er die Ecke einer vier Fuß breiten Gasse - nur weil hier gerade die Laterne funktionierte. Auf der anderen Seite der Straße sah er Betonstufen, eine Laderampe unter einer Plane, Türen. Am Ende des Blocks lag ein umgestürzter Lastwagen. Noch davor hockten drei Autos auf schiefen Achsen mit scherbengerahmten Fenstern, wie Frösche, wie erblindete Frösche.
    Sein nackter Fuß war unempfindlich gegen Steine und Glas. Doch zwischen dem anderen Fuß und der Sandale schmirgelte Asche wie feinster Sand, grub sich ein und vermischte sich mit Schweiß. Die Ferse war fast wund.
    Am Ende der Gasse, an einem Tor, fand er einen Haufen leerer Blechdosen, einen Stapel Zeitungen, der noch verschnürt war, Ziegelsteine zu einer Feuerstelle aufgetürmt mit einer Anordnung von Röhren darüber. Daneben stand ein verkrustetes Armeekochgeschirr. An seinem Fuß raschelte etwas.
    Er griff hinab. Eine der Orchideen-Klingen fuhr heraus; er hob ein Bündel auf. . . Brot? Es war fest eingewickelt. Wieder unter der Laterne wog er es in der Hand, fuhr mit den Klingen hindurch und öffnete das Cellophanpapier.
    Er hatte an etwas zu essen gedacht.
    Und an Schlaf.
    Doch er wußte, wie lähmend ein Wunder wirken kann.
    Die erste Scheibe hatte ein zehnpfenniggroßes Stück schmutzigen Grüns in einer Ecke. Die zweite und dritte ebenfalls. Der Strang zog sich durch das ganze Brot, dachte er. Die oberste Scheibe war auf einer Seite trocken. Sonst war alles in Ordnung - außer der grünen Ader, und das war nur dieses Penicillin-Zeug. Er konnte die verfärbten Stellen herausschneiden.
    Ich bin nicht hungrig.
    Er legte die Scheiben zurück, faltete das Cellophanpapier, trug es zurück und steckte es hinter den Papierstapel.
    Als er zu der Laterne zurückkam, flog eine Blechdose vor seiner Sandale her und machte die

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