Dhampir - Götterjagd
nachgegeben zu haben.
Aria und Bieja bemühten sich, ihr mit heißen Eisen Locken zu drehen. Magiere ließ es mit zähneknirschender Geduld über sich ergehen, und als sie es schließlich hinter sich hatte, eilten Aria und Bieja davon, weil noch eine andere Aufgabe auf sie wartete. Es erleichterte Magiere, allein zu sein, und sie trat vor den großen Spiegel.
Fast hätte sie sich selbst nicht wiedererkannt.
Magiere besaß nur ein Kleid, das dunkelblau war und von ihrer Mutter stammte. Es passte ihr gut und glich ihre Blässe aus. Bevor sie hineingeschlüpft war, hatte sie gebadet und auch das Haar gewaschen. Außerdem hatten Aria und Bieja ihr nicht nur Locken gedreht, sondern auch weißen Flieder ins Haar geknüpft.
»Wunderschön«, sagte jemand von der Hintertür her.
Magiere spannte die Muskeln, als säße sie in der Falle, drehte sich dann um und sah die sanft lächelnde Wynn.
»Ich weiß nicht«, sagte Magiere und betrachtete ihr Spiegelbild. »Ich seh e … seltsam aus.«
»Du kannst nicht in Lederrüstung und mit dem Falchion in der Hand heiraten.«
»Warum nicht?«
»Weil Leesil in Verzückung gerät, wenn er dich so sieht«, sagte Wynn und kam näher.
Ihr braunes Haar war hochgesteckt, und zwei lange Ringellocken hingen herab und umrahmten ihr Gesicht. Sie trug ein hellgrünes Kleid, das gut zu ihrer Hautfarbe passte und Magiere an kleine, fragile Geschöpfe in Kindergeschichten erinnerte, die auf den Rücken von Libellen flogen.
»Woher hast du das Kleid?«, fragte Magiere und freute sich zum ersten Mal, seit man sie in dieses Hinterzimmer geschleppt hatte.
»Deine Tante hat es für mich gekauft«, erwiderte Wynn verlegen. »Die Zeit genügte nicht, etwas für mich anfertigen zu lassen, und dies war das einzige fertige Kleid in meiner Größe. Ist mit der Farbe alles in Ordnung?«
»Ja.« Magiere nickte.
Sie standen nebeneinander vor dem Spiegel: Magiere groß und bleich, mit schwarzem Haar und in einem blauen Kleid; die kleine Wynn mit ihrer olivfarbenen Haut und dem hellgrünen Gewand.
»Wie feine Damen, die sich anschicken, zu einem Ball zu gehen«, flüsterte Wynn. »Nur gut, dass uns niemand vor einigen Wochen gesehen hat, als wir durch den Schnee gestapft sind und nur getrockneten Fisch zu essen hatten.«
Als Wynn getrockneten Fisch erwähnte, musste Magiere an Sgäile denken. Wynns Gedanken schienen ebenfalls zu ihm zurückzukehren, denn ihr Lächeln verschwand.
»Ist Osha bereit?«, fragte Magiere. Leesil hatte ihn als seinen Trauzeugen gewählt.
»Ja.« Wynn seufzte übertrieben. »Aber er hat darauf bestanden, seine eigene Kleidung zu tragen. Deshalb habe ich sie waschen und den Mantel ausbürsten lassen. Er sieht gut aus. Die Gäste haben sich versammelt, und Leesil wartet auf dich. Wir sollten gehen.«
Magiere schickte sich an, mit Leesil den Bund fürs Leben zu schließen, und das hatte sie mit einer solchen Zeremonie feiern wollen. Aber inzwischen fragte sie sich, ob es nicht besser gewesen wäre, alles etwas privater zu gestalten. Sie atmete mehrmals tief durch.
»Halt den Blick auf Leesil gerichtet«, sagte Wynn. »Dann kommt alles in Ordnung.«
Sie gingen hinaus und zum vorderen Eingang des Lagerhauses, wo Osha und Chap warteten.
Magiere vergaß alles andere in dem Moment, als sich Leesil umdrehte, sie sah und verblüfft die Augen aufriss. Mit Eitelkeit hatte sie nie etwas anfangen können, aber sein Gesichtsausdruck war all die Mühe wert.
»M… Magiere?«, stotterte er.
»Klapp den Mund zu, bevor du eine Fliege verschluckst«, sagte sie.
Er hatte sich ebenfalls herausgeputzt. Tante Bieja hatte ihm gerade noch rechtzeitig ein weites weißes Hemd genäht, und dazu trug er eine schwarze Hose. Die Stiefel waren geputzt, das weißblonde Haar im Nacken zusammengebunden.
Magiere nahm seinen Arm. »Bist du bereit?«
Er nickte und sah ihr noch immer in die Augen.
Osha trat von einem Bein aufs andere. Wynn eilte zu ihm, und der junge Elf starrte sie an, als sähe er sie zum ersten Mal.
»Siehst du, wie Magiere Leesils Arm genommen hat? Sie gehen zuerst hinein. Wir warten und folgen dann mit Chap.«
Chap jaulte und stellte die Ohren auf. Am vergangenen Abend hatte Wynn ihm das Fell gebürstet und seinem protestierenden Knurren keine Beachtung geschenkt. Sie hakte sich bei Osha ein und musste den Arm dafür ein wenig heben.
Magiere betrat das Lagerhaus zusammen mit Leesil, und ihr stockte der Atem, als sie all die Blumen im Sonnenschein sah. Sie wahrte die Haltung und
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