Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
gesehen.«
»Brunnengrund und Sammler waren gestern am Bürgerort und …«
»Oh, beim Lachen der Ewigen! Glaub doch nicht, was du an einem solchen Ort hörst!«
»Er ist zurück. Hammer-Hirsch ist zurück! Und heute Abend kommt er zum Geköderten Bären!«
»Warum? Es ist kein Begrüßungshaus, und dennoch …«
Mehr brauchte Sau’ilahk nicht zu hören, und deshalb vertrieb er die Diener. Etwas mehr Zeit war nötig gewesen, diese Taverne und ein geeignetes Versteck zu finden, um zu warten. Er wusste, dass das »Geschichtenerzählen« der Zwerge bis spät in die Nacht dauern konnte. Die Ankunft des Thänæ brauchte er nicht zu beobachten; er musste nur zugegen sein, wenn jener Zwerg die Taverne verließ.
Der betreffende Thänæ hatte bereits einen Platz unter den geehrten Toten der Zwerge errungen. Alle Thänæ hofften, irgendwann einmal zu Bäynæ zu werden, zu Ewigen, den spirituellen Unsterblichen und Ahnen des ganzen Volkes. Um dieses Ziel zu erreichen, musste man große Taten vollbringen, die die eigenen Tugenden zur Geltung brachten oder allen Zwergen zum Wohl gereichten – Taten, die beim »Erzählen« alle für würdig hielten. Wenn das Volk die Ernennung von jemandem zum Thänæ verlangte, versammelten sich die Stammesoberhäupter und berieten. Eine einstimmige Entscheidung war erforderlich, bevor die Shirvêsh des betreffenden Tempels gerufen wurden, damit sie einen Thôrhk für den Empfänger segneten. Die Namen der Thänæ wurden in die Tempelwände graviert, aber trotzdem dauerte es Jahrhunderte, bevor einer von ihnen den Status eines Ewigen erlangte.
Sau’ilahk wusste in groben Zügen darüber Bescheid, ohne sich für die komplexen Details zu interessieren, schließlich hielt er die Zwerge für dumm.
Wie unsinnig, ein ganzes Leben – noch dazu wenn es so lang war wie das eines Zwergs – damit zu vergeuden, solche Ziele anzustreben. Er hatte nichts übrig für den zwergischen Aberglauben oder für falsche Götter neben seinem Geliebten. Nur auf den letzten Punkt des ganzen Vorgangs kam es an, die eine Sache, die dafür sorgte, dass die Steingänger erschienen.
Ein Thänæ musste sterben.
Und wünschten sie sich nicht alle den Tod, wenn es ihnen so sehr darum ging, zu falschen Heiligen zu werden?
Sau’ilahk wartete in Sichtweite der Taverne, in der normalerweise kein »Erzählen« stattfand. Er hatte sich mehrere Seitentunnel eingeprägt, die von dieser Hauptstraße abzweigten, denn er wollte in der Lage sein, jederzeit darin zu verschwinden, auch dann, wenn er sie nicht direkt sehen konnte. Er wartete und wartete, und erst als sich das Dämmern ankündigte und auf das Ende der Nacht hinwies, hörte er lauter werdende Stimmen.
Zwerge kamen aus der Taverne und sprachen so laut, dass Sau’ilahk ihre Worte hörte.
»Was für eine Nacht!«
»Ich werde heute todmüde sein, aber das war es wert!«
»Die letzte Geschichte werde ich bis zu meinem Tod nicht vergessen!«
Weitere lobende und bewundernde Stimmen erklangen, als noch mehr Zwerge die Taverne verließen. Schließlich vernahm Sau’ilahk eine Stimme, die alle anderen übertönte. Sie war sehr selbstbewusst, fast arrogant.
»Nein, nein, Brüder und Schwestern, ihr habt mir genug Bier für die nächsten beiden Erzählungen bezahlt! Es wird Zeit für uns alle, ein wenig zu schlafen. Aber ich verspreche, eure Gastfreundschaft noch einmal in Anspruch zu nehmen, bevor ich diesen Ort verlasse.«
Sau’ilahk blieb still wie ein Schatten und lauschte Hammer-Hirsch. Dieser Thänæ liebte es offenbar, sich vom Pöbel bewundern zu lassen, von Leuten, die zu dumm waren, ihn zu durchschauen. Und das alles, um sich einen Ruf zu verschaffen, der ihm die Tür zur Ewigkeit öffnen sollte. Wie armselig.
Es gab nur eine wahre Gottheit, die ewiges Leben gewähren konnte. Zu diesem Gott hatte Sau’ilahk gebetet und ihn um die Ewigkeit angefleht, und er hatte sie bekommen; allerdings war ein Fluch in ihren Segen eingewoben.
Der Thänæ ging los und entfernte sich nicht nur von der Taverne, sondern auch von Sau’ilahks Versteck. Kurzes Dämmern brachte den Wartenden an Hammer-Hirsch vorbei und in einen Seitentunnel, der sich ein ganzes Stück vor ihm befand. Dort konzentrierte er sich auf die Lebenspräsenz seines Opfers und nahm den Geist des Thänæ wie einen Windhauch war, oder das Wasser eines Baches, das man zwar berühren, aber nicht festhalten konnte. Den Prahlereien des Großmauls schenkte er keine Beachtung mehr.
Zwei weitere Male wechselte
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