Dhana - Im Reich der Götter
vergisst eure Mythen«, sagte Sarra. »Die
Mythen über die Großen Götter. Der Traum-König kann die Reiche der Sterblichen
nicht betreten. Er kann nur seine Geschöpfe senden, um dort seine Arbeit zu
verrichten.«
»Verzeiht mir«, sagte Numair höflich. »Das hatte ich
tatsächlich vergessen.«
Zu ihren Füßen, gefangen in einem Lichtstrahl, der
zwischen ihr und Numair zu Boden fiel, bewegte sich etwas. Dhana verlieh ihren
Augen die Schärfe von Katzenaugen und sah genauer hin. Ein tintenartiger
Schatten hatte ein Tentakel um ihren nackten Fuß geschlungen. War das der
Finsterling, den Weiryn angeschossen hatte?
»Reichst du mir den Käse?«, bat Breitfuß und stieß sie
mit seinem Kopf an. Sie gehorchte und legte ihm mit der Gabel Käsescheiben auf
seinen Teller. Als der Entenmaulwurf glücklich auf dem Käse herumkaute, warf
Dhana einen Blick auf ihre Gefährten. Königsklaue spielte mit einem Stückchen
Brot. Sarra schien sich mit Gainel zu unterhalten, während Numair von Weiryn zu
erfahren versuchte, ob ein menschlicher Magier vielleicht mehr Glück haben
könnte die Herrscher der Göttlichen Reiche anzurufen. »Ich verstehe nicht,
warum du ein solches Theater darum machst«, fuhr Weiryn ihn an. »Lass im Herbst
die Tagundnachtgleiche kommen, dann wirst zumindest du zu deinen Kriegern
zurückkommen und ich wünsche dir viel Spaß dabei!« »Ich habe keinen Spaß dabei
und ich habe auch nicht um diese Kriege gebeten«, erwiderte Numair mit
gepresster Stimme. »Wäre es Euch lieber, wenn Ozorne und seine Verbündeten uns
überrollen?«
Dhana versteckte etwas Käse in ihrer Handfläche. Sie
brach ein Stückchen davon ab, ließ ihre Hand nach unten gleiten und bot den
Käse dem Wesen an. Tentakel schnappten sich den Käse und zogen ihn in den
Schatten. Dhana bot ein weiteres Stückchen an. Der Finsterling ließ auch das
verschwinden. »Ja, das stimmt«, sagte Sarra zu Gainel und stand auf. »Ich
dachte, einer deiner Untertanen wäre entkommen und hierher gewandert. Er nannte
sich selbst Finsterling.« Dhana zuckte zusammen. Auch der Schatten zuckte
zusammen, glitt von ihrem Fuß herunter und versteckte sich in der Dunkelheit
unter dem Tisch.
Dhanas Mutter langte in ihre Schürze und seufzte dann
verärgert. »Seht euch das an.« Sie hob ihre Hand. Ihre Finger schauten aus dem
Loch in ihrer Tasche heraus. »Er ist entkommen.« Gainel bedeckte Sarras Tasche
mit einer Hand. Weißes Licht schimmerte und ein Bild des Finsterlings erschien.
Sofort schüttelte der Traum-König seinen Kopf.
»Er hat noch niemals etwasDerartiges gesehen«,
erklärte Weiryn den Menschen. Gainels Licht verblasste, er zog seine Hand von
Sarras Schürze zurück.
»Ich hab ja gleich gesagt, Ihr seid streng mit Euren
Wesen«, sagte Königsklaue.
Gainel stand auf, nickte allen zu und verschwand.
»Er ist unmöglich, wenn es darum geht, sich zu
verabschieden«, bemerkte Breitfuß. »Schlimmer als eine Katze.«
»Ich würde eher sagen, er ist genauso gut wie eine
Katze«, erwiderte Königsklaue.
Sarra stand auf. »Nun, durch Wundern und Geplauder
wird das Geschirr auch nicht sauber. Fangen wir an, Dhana.« Dhana sah
überrascht zu ihrer Mutter auf. Es war lange her, seit irgendjemand sie
aufgefordert hatte beim Abräumen zu helfen. Sie wollte einwenden, dass sie müde
sei, aber dann würde ihre Mutter nur viel Aufhebens davon machen und ihr
scheußliche Arznei einflößen. Seufzend erhob sich Dhana. Sie nahm Sarra einen
Stoß Teller ab und trug sie ins Haus. Ein Waschzuber, aus dem es schwach
dampfte, stand auf dem Küchentisch. Dhana stellte ihre Last daneben ab und
drehte sich um. Sarra stellte sich ihr in den Weg, in der einen Hand eine
Flasche, eine Tasse in der anderen. Dhana zuckte zusammen ... so viel also zum
Thema ihre Mutter hinters Licht führen zu wollen. »Du hast dich heute
übernommen und das weißt du.« Sarra goss eine dunkle Flüssigkeit in die Tasse.
»Trink das und dann ab ins Bett mit dir.«
Dhana nahm die Tasse, trank aber nicht. »Ma, warum bin
ich so schwach? Bist du sicher, dass es nur daher kommt, weil ich zur Hälfte
sterblich bin, oder könnte es etwas Schlimmeres sein?« Sarra schüttelte
energisch den Kopf. »Du bist lange vor der Zeit hierher gekommen«, sagte sie
bestimmt. »Das Gleichgewicht zwischen deinem sterblichen und deinem göttlichen
Blut ist empfindlich. Ein Grenzübertritt, wie du ihn hinter dir hast,
verursacht für gewöhnlich Probleme. Aber sie sind nur vorübergehend, das
verspreche ich
Weitere Kostenlose Bücher