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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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1
    C ler­fa­yt hielt den Wa­gen an
ei­ner Tank­sta­ti­on, vor der der Schnee weg­ge­schau­felt war, und hup­te. Krä­hen
lärm­ten um die Te­le­fon­mas­ten, und in der klei­nen Werk­statt hin­ter der
Tank­stel­le häm­mer­te je­mand auf Blech. Das Häm­mern hör­te auf, und ein Jun­ge von
sech­zehn Jah­ren kam her­aus, der einen ro­ten Swea­ter und ei­ne Stahl­bril­le trug.
    »Füll den Tank
auf«, sag­te Cler­fa­yt und stieg aus.
    »Mit Su­per?«
    »Ja. Kann man
ir­gend­wo noch et­was zu es­sen krie­gen?«
    Der Jun­ge deu­te­te
mit dem Dau­men über die Stra­ße.
    »Drü­ben. Die Spe­zia­li­tät
war heu­te Mit­tag Ber­ner Plat­te. Soll ich die Ket­ten ab­neh­men?«
    »Warum?«
    »Die Stra­ße ist
wei­ter oben noch ver­eis­ter als hier.«
    »Den gan­zen Paß
rauf?«
    »Über den Paß
kön­nen Sie nicht fah­ren. Der ist seit ges­tern wie­der ge­schlos­sen. Mit ei­nem so
nied­ri­gen Sport­wa­gen kom­men Sie da schon gar nicht rü­ber.«
    »Nein?« sag­te
Cler­fa­yt. »Du machst mich neu­gie­rig.«
    »Sie mich auch«,
er­wi­der­te der Jun­ge.
    Die
Wirts­stu­be war un­ge­lüf­tet und roch nach al­tem Bier und lan­gem Win­ter. Cler­fa­yt be­stell­te
Bünd­ner Fleisch, Brot, Kä­se und ei­ne Ka­raf­fe Ai­gle. Er ließ sich das Es­sen von
dem Mäd­chen auf die Ter­ras­se brin­gen. Es war nicht sehr kalt drau­ßen. Der
Him­mel war mäch­tig und en­zian­blau.
    »Soll ich die
Kut­sche mit dem Schlauch ab­sprit­zen?« frag­te der Jun­ge von der Tank­stel­le her.
»Sie kann es ver­dammt ge­brau­chen.«
    »Nein. Mach nur die
Wind­schutz­schei­be sau­ber.«
    Der Wa­gen war lan­ge
nicht ge­wa­schen wor­den und zeig­te es. Ein Sturz­re­gen hin­ter Aix hat­te den ro­ten
Staub der Küs­te von St. Ra­phaël auf Küh­ler­hau­be und Kot­flü­geln in ein
Ba­tik­mus­ter ver­wan­delt; da­zu wa­ren die Kalk­sprit­zer aus den Pfüt­zen der Stra­ßen
Mit­tel­frank­reichs ge­kom­men und der Dreck, den die Hin­ter­rä­der zahl­lo­ser
Last­wa­gen auf die Ka­ros­se­rie ge­schleu­dert hat­ten, wenn sie über­holt wur­den.
Wes­halb bin ich nur hier­her ge­fah­ren? dach­te Cler­fa­yt. Zum Ski­lau­fen ist es
oh­ne­hin fast zu spät. Und Mit­leid? Mit­leid ist ein schlech­ter
Rei­se­be­glei­ter – und ein noch schlech­te­res Rei­se­ziel. Warum fah­re ich
nicht nach Mün­chen? Oder nach Mai­land? Aber was soll ich in Mün­chen tun? Oder
in Mai­land? Oder ir­gend­wo an­ders? Ich bin mü­de, dach­te er. Mü­de des Blei­bens
und mü­de des Ab­schieds. Oder bin ich nur mü­de des Ent­schei­dens? Aber was ha­be
ich schon zu ent­schei­den? Er trank den Wein aus und ging in die Wirts­stu­be
zu­rück.
    Das
Mäd­chen
wusch Glä­ser hin­ter der The­ke. Der aus­ge­stopf­te Kopf ei­ner Gem­se starr­te aus
glä­ser­nen Au­gen über sie und Cler­fa­yt hin­weg auf die Re­kla­me ei­ner Zü­ri­cher
Braue­rei an der Wand ge­gen­über. Cler­fa­yt hol­te ei­ne fla­che, mit Le­der be­zo­ge­ne
Fla­sche aus der Ta­sche. »Kön­nen Sie mir die mit Ko­gnak fül­len?«
    »Cour­voi­sier,
Ré­my-Mar­tin, Mar­tell?«
    »Mar­tell.«
    Das Mäd­chen be­gann,
den Ko­gnak glas­wei­se ein­zu­mes­sen. Ei­ne Kat­ze kam her­ein und strich um Cler­fa­yts
Bei­ne. Er ließ sich noch zwei Pa­ke­te Zi­ga­ret­ten und Streich­höl­zer ge­ben und
be­zahl­te sei­ne Rech­nung.
    »Sind das
Ki­lo­me­ter?« frag­te drau­ßen der Jun­ge im ro­ten Swea­ter und zeig­te auf den
Ge­schwin­dig­keits­mes­ser.
    »Nein, Mei­len.«
    Der Jun­ge stieß
einen Pfiff aus. »Was ma­chen Sie denn hier in den Al­pen? Warum sind Sie mit
ei­ner sol­chen Kar­re nicht auf der Au­to­stra­da?«
    Cler­fa­yt sah ihn
an. Blin­ken­de Bril­lenglä­ser, ei­ne auf­ge­wor­fe­ne Na­se, Pi­ckel, ab­ste­hen­de
Oh­ren – ein We­sen, das die Me­lan­cho­lie der Kind­heit ge­ra­de ge­gen al­le
Feh­ler hal­b­en Er­wach­sen­seins ein­ge­tauscht hat­te. »Man tut nicht im­mer, was
rich­tig ist, mein Sohn«, sag­te er. »Selbst, wenn man es weiß. Dar­in kann
manch­mal der Char­me des Le­bens lie­gen. Ka­piert?«
    »Nein«, er­wi­der­te
der Jun­ge und schnupf­te. »Aber die SOS-Te­le­fo­ne fin­den Sie auf dem gan­zen Paß.
An­ruf ge­nügt, wenn Sie ste­cken blei­ben. Wir

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