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Dhana - Im Reich der Götter

Dhana - Im Reich der Götter

Titel: Dhana - Im Reich der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamora Pierce
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dir. Und jetzt trink, mein Schatz.« Es schmeckte so widerlich,
wie Dhana befürchtet hatte. Sie küss- te ihre Mutter auf die Wange, ging in ihr
Zimmer und schloss die Tür. Sie hatte keine Ahnung, dass ihr der Finsterling
gefolgt war und sich verborgen hielt, bis er zu ihr unter die Decke schlüpfte.
    Dumpfes Zischen erfüllte Dhanas Ohren. Dunkelheit
bedeckte ihre Augen.
    Licht dämmerte weit vorne. Sie hätte nicht sagen
können, ob sich die Szene, die sie jetzt sah, auf sie zubewegte oder ob sie
darauf zuflog. Innerhalb weniger Augenblicke war sie nahe genug, um Zweibeiner
in einem Kreis stehen zu sehen, die Arme übereinander gelegt, die Hände an den
Schultern des Nachbarn. In der Mitte des Kreises hob und senkte sich pulsierend
ein undefinierbares Etwas in den gleichen Farben wie die Chaos-Öffnung. Dhana
wandte ihr Gesicht ab. »Es ist schon gut.« Rattenschwanz erschien neben ihr.
»Du kannst hinsehen. Du musst sogar hinsehen.« Dhana gehorchte.
    Anfangs befanden sich der Kreis aus Männern und Frauen
sowie das Ding im Mittelpunkt im schwarzen, leeren Raum. Sterne blitzten, einer
nach dem anderen, um sie herum auf. In deren Licht konnte sie die Gesichter
jener erkennen, die den Kreis bildeten. Ihre Namen sprangen in ihr Gedächtnis,
als habe sie schon immer ihre wahre Erscheinung gekannt: Der Dunkelgott mit
seiner tief herabgezogenen Kapuze und seiner langen Robe und die Große
Muttergöttin. Sie erkannte Kidunka die Welten- Schlange, den Herrn der
Banjiku-Stämme und selbst die K'mir- Götter von Sturm und Feuer. Der große,
mächtige, schwarze Mann in goldener Rüstung war Mithros selbst. Dhana sah von
Gesicht zu Gesicht und erkannte, dass alle Großen Götter den Kreis bildeten,
nur einer fehlte.
    Die Masse zwischen ihnen begann sich zu heben und
rasch die Farben zu wechseln. Als sie zum Stillstand kam, stand eine fast schon
ganz nach unten gekrümmte Gestalt dort. Die zusammen- gekauerte Figur streckte
sich. Zuerst war es eine Frau mit goldfarbener Haut, sturmzerzaustem, grauem
Haar und einem schlichten, grauen Kleid. Innerhalb eines Atemzugs veränderte
sie sich. Ihre Haut wurde gelb, ihr Haar wurde zu Zweigen, aus ihrem Körper
sprossen Fangarme. Auch das dauerte nur kurz. Niemals verharrte sie längere
Zeit in einer Gestalt, sondern wechselte ständig das Aussehen. Oft genug gab es
die verrücktesten Kombinationen, zum Beispiel wuchsen Kneifzangen aus dem
Oberkörper eines Leoparden oder der Kopf einer Kuh saß auf den Beinen eines
Mannes. Der bloße Anblick dieser rasch wechselnden Erscheinungen brachte Dhanas
Magen in Aufruhr. Die Kreatur taumelte zur Seite, schnellte auf die Öffnung zwischen
Wellen-Wandler und Tod zu. Weißes Feuer leuchtete auf und bildete eine Kuppel
zwischen den Göttern und ihrer Gefangenen. Halb Löwe, halb altes Weib ließ sie
sich auf den Boden fallen und versuchte zwischen zwei anderen Göttern eine
Lücke zu finden. Doch auch diesmal musste sie sich aufheulend zurückziehen,
nachdem sie die Barriere berührt hatte. »Es ist die Königin des Chaos, nicht
wahr? Warum töten sie sie nicht?«, fragte Dhana. »Sie reiben sich nur damit
auf, sie in ihrem Kreis festzuhalten, und sie scheint nicht im Mindesten
schwach zu werden.«
    »Es ist ihnen verboten, genauso wie es ihr verboten
ist, die anderen zu töten«, erklärte Rattenschwanz. »Sie können einander
einsperren und knechten, aber Vater Universum und Mutter Flamme, die sie alle
erschaffen haben, wollen nicht, dass ihre Kinder sich gegenseitig ermorden.«
    Die Szenerie kräuselte sich wie Wasser in einem Teich
und löste sich vor ihr auf. Dhana flog jetzt zurück über eine weite, vollkommen
flache Ebene. Während sie sich umschaute, entdeckte sie eine einsame Gestalt,
Gainel. Ein Sturmwind ließ sein Hemd und seine Hosen flattern. Er streckte ihr
eine Hand entgegen. Eine Waagschale hing an seinen bleichen Fingern. Unter den
Füßen des Traum-Königs öffnete sich eine Spalte. Sein linker Fuß schwebte
praktisch in der Luft, dann stand er sicher auf einer ebenen Fläche. Sein
rechter Fuß steckte bis zum Knöchel in graugrünem Schmutz, der brodelte und hin
und her wogte. Gainel verschwand, als Dhana die Augen öffnete. »Ich habe hier
so sonderbare Träume«, sagte sie anklagend zur Zimmerdecke. »Anscheinend will
der Traum-König, dass ich
    etwas erfahre, aber warum? Ich möchte lieber gut
schlafen.« Sie seufzte, rollte aus dem Bett und schlug mit einem dumpfen Schlag
auf dem Boden auf. Der Boden war beruhigend fest.

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